Strategie der Stadt: Grundstück für gemeinschaftliche Wohnprojekte

Die Stadt bietet ein Grundstück für innovative, gemeinschaftliche Wohnprojekte. Erklärt wurde das Angebot bei einer Infoveranstaltung zum Konzeptverfahren für den Oberen Rotenberg.
Wie kann gemeinschaftliches Wohnen aussehen? Wie kann es finanziert werden? Und wo ist in Marburg Raum für innovative Wohnprojekte?
Die Stadt Marburg will gemeinsam mit der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) gemeinwohlorientierten Wohnprojektgruppen Grundstücke anbieten – im Baugebiet „Oberer Rotenberg“. Vergeben werden die Grundstücke im Konzeptverfahren. Den Auftakt bildete eine gut besuchte Infoveranstaltung im Bauamt.
„Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche, wie sie wohnen möchten – und wie sie in Familie oder Gemeinschaft wohnen möchten. Wir sehen es als Stadt als unsere Aufgabe an, dass wir auch gemeinschaftlichen, solidarischen Wohnprojekten Raum und Möglichkeiten bieten.“ Mit diesen Worten begrüßte Stadtrat Dr. Michael Kopatz zahlreiche Interessierte während der Infoveranstaltung zum Marburger Konzeptverfahren.
Die Idee ist, dass im Baugebiet „Oberer Rotenberg“ auch gemeinschaftliche Wohnprojekte eben solche Möglichkeiten finden. Deswegen werden Stadt und SEG erstmals in Marburg Grundstücke im Konzeptverfahren anbieten. Das bedeutet, dass ein tragfähiges und überzeugendes Wohnkonzept von Gruppen oder Initiativen nötig ist, um eines der vorgesehenen Grundstücke für das eigene Wohnkonzept kaufen zu können. „Wir möchten die interessierten Akteur*innen und Gruppen auf dem Weg über Interessensbekundung, Bewerbung und Auswahl bis zur Realisierung eines Wohnprojektes begleiten und freuen uns auf innovative Projektideen“, sagte Kopatz.
Während der Auftaktveranstaltung gab es zu Beginn ein Impulsreferat von Afra Höck. Sie ist Teil des Netzwerks Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen und Leiterin der Landesberatungsstelle. Dass gemeinschaftliches Wohnen immer beliebter werde, sei eine Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen wie zum Beispiel demografischen Wandel, Klimakrise, Thema vermehrte Einsamkeit und der Pflegekrise. „Das Leben ist diverser geworden und genauso divers wird auch das Wohnen“, sagte Höck.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte definieren sich laut Höck über ein demokratisches Miteinander und Selbstorganisation. Sie erklärte verschiedene mögliche Rechtsformen von Verein über Genossenschaft oder GmbH bis hin zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Rechtsform sei wichtig für die Finanzierung, den gestalterischen Rahmen, die langfristige Verfassung und den Grad der Verantwortung.
Speziell auf das Gelände der ehemaligen Philipps Gärtnerei am Oberen Rotenberg bezogen, erläuterten Florian Berkenkamp vom Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz sowie Fachdienstleiterin Manuela Klug die Pläne. Nebst einem Lebensmittel-Nahversorger und Wohnungen im geförderten Wohnungsbau sollen auf dem Oberen Rotenberg auf einer Gesamtfläche von 2,2 Hektar auch die Wohngebäude für gemeinwohlorientierte Wohnprojekte entstehen. Für diese Wohnprojekte ist eine Fläche von 6.500 Quadratmetern vorgesehen. Geplant sind insgesamt 90 Wohneinheiten in drei Geschossen.
Berkenkamp formulierte als eines der Ziele die „Entwicklung eines nachhaltigen und klimaneutralen Wohngebiets“. Demnach sollen am geplanten Wendeplatz ÖPNV-Haltestellen und im Wohngebiet Carsharing-Angebote entstehen. Für je zwei Wohneinheiten soll die Fläche zudem einen Stellplatz bieten. Rad- und Fußwege sind vom Hasenkopf bis nach Görzhausen angedacht. Außerdem ist geplant, die Wohnhäuser zum Großteil mit Dachbegrünung und Solartechnik auszustatten.
Den zeitlichen Ablauf des Konzeptverfahrens stellte Klug vor: Während der ersten Phase, der sogenannten „Interessenbekundungsphase“, die nun begonnen habe, gebe es ein halbes Jahr lang verschiedene Workshops zu Themen wie Rechtsformen, Finanzierung oder Architektur. Die Bewerbungsphase läuft dann im zweiten Quartal 2024. Währenddessen haben Wohnprojektinitiativen Zeit, um eine grobe Skizze ihres Konzepts einzureichen. Neben der Gruppenzusammenarbeit und den gemeinschaftlich genutzten Räumen liegt das Augenmerk dann laut Klug auf einer gemeinwohlorientierten Rechtsform und einer nicht-renditeorientierten Finanzierung. Auch nachhaltige Architektur sollte ein Aspekt bei der Einreichung sein.
Ein 13-köpfiges Auswahlgremium – unter anderem mit Vertreter*innen der Politik, Mitarbeitenden der Stadtverwaltung und Expert*innen gemeinschaftlichen Wohnens – entscheidet im Anschluss über die Einreichungen. Voraussichtlich ab November 2024 geht es dann an die Umsetzung mit einer einjährigen „Anhandgabephase“. Darin unterstützt die Universitätsstadt die Gruppen bei Themen wie Rechtsform, Bauantrag oder der Möglichkeit, mit der Wohnungsbaugesellschaft zu kooperieren. Weitere Informationen gibt es unter www.marburg.de/konzeptverfahren, bei Silvia Röschlein von der SEG unter s.roeschlein@seg-marburg.de oder bei Rose Michelsen von der Koordinierungsstelle für Gemeinschaftliches Wohnen im Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz unter wohnprojekte@marburg-stadt.de.

* pm: Stadt Marburg

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