Schutz vor Ausgrenzung: Zweiter Aktionsplan zur UN-BRK

Die Umsetzung des Zweiten Aktionsplans zur UN-BRK soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stärken. Im November ist sie Thema des Behindertenbeirats.
Die Teilnahme an einer digitalen Veranstaltung, das Lesen von Informationen auf einer Homepage oder das Zuhören bei einem vhs-Vortrag stellt sie mitunter vor große Herausforderungen oder ist schlicht nicht möglich. Gründe dafür können beispielsweise körperliche Beeinträchtigungen sein, die die Teilnahme an bestimmten Lebensbereichen behindern. Um diese Barrieren abzubauen, setzt die Stadt Marburg gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartner*innen den Zweiten Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) um.
„Menschen mit Beeinträchtigungen erfahren immer wieder Hürden, die ihnen den Zugang zu den Lebensbereichen Bildung, Arbeit, Wohnen und Freizeit erschweren oder gar verwehren“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Diese Bereiche müssen aber für alle barrierefrei sein.“ Stadträtin Kirsten Dinnebier ergänzte: „Wir möchten als Stadt Barrieren abbauen und damit die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Marburg weiter stärken.“
Diesem Ziel liegt der Zweite Marburger Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK zugrunde, der im Auftrag des Magistrats und des Behindertenbeirats von der städtischen Sozialplanung gemeinsam mit einer begleitenden Projektgruppe erarbeitet wurde. Um Barrieren und Hürden Schritt für Schritt abzubauen, umfasst der Plan konkrete Handlungsansätze und Ziele der städtischen Verwaltung sowie von zahlreichen Kooperationspartner*innen. Die Gesamtübersicht zu allen 49 Maßnahmen wird nun als ausführlicher Zwischenbericht den Gremien zur Kenntnis vorgelegt.
Im November ist der Umsetzungsprozess des Zweiten Aktionsplans auf der Tagesordnung im Behindertenbeirat. Der Beirat war in die Erarbeitung eingebunden und erhält einen Überblick zum derzeitigen Umsetzungsstand zur Kenntnis.
Ein Beispiel für eine der 49 Maßnahmen ist das innovative Projekt „Digitale Teilhabe älterer Menschen im Bereich Kommunikation“, das von der städtischen Altenhilfe in Kooperation mit der Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf umgesetzt wird. Dabei handelt es sich um ein neues Angebot einer zugehenden Beratung. Können ältere Menschen aus gesundheitlichen Gründen ihre Wohnung nicht mehr verlassen, suchen Mitglieder des Seniorenbeirats die Betroffenen zu Hause auf und geben ihnen Hilfestellung im Umgang mit Smartphone, Tablet oder anderen Multimedia-Geräten, um digitale Teilhabe im Bereich der Kommunikation zu ermöglichen.
Die Idee dazu hatte Ilka Wolkau von der Altenhilfe der Stadt Marburg und Geschäftsstelle des Seniorenbeirats, die bereits mit dem Angebot einer zugehenden Beratung in diesem Bereich betraut ist. Ziel ist es, älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, mit ihren Angehörigen, Bekannten und Freund*innen in Verbindung zu bleiben. Zur Prävention von Einsamkeit ist der persönliche Kontakt auch im digitalen Raum und per Smartphone oder anderem Endgerät wichtig. Dabei unterstützen sogenannte „Digitallots*innen“.
Ein weiteres Beispiel ist der Zugang zu vhs-Kursen für gehörlose Menschen. Der Fachdienst Volkshochschule der Stadt Marburg hat 2022 damit begonnen, Kurse beziehungsweise Einzelveranstaltungen mit dem „Icon Gebärdensprache“ zu kennzeichnen, für die bei Bedarf Dolmetscher*innen eingesetzt werden können. Zudem verfolgte die vhs mit Unterstützung der Behindertenhilfe und des Gleichberechtigungsreferats der Stadt verschiedene Ansätze, um dieses Angebot zu bewerben und die entsprechenden Adressat*innen darauf aufmerksam zu machen.
So haben beispielsweise Mitarbeitende der vhs ihre Arbeit und ihre Ziele im Behindertenbeirat der Stadt vorgestellt. Derzeit wird weiter daran gearbeitet, den Kontakt zur Zielgruppe zu fördern, um auf die spezifischen Bedürfnisse eingehen zu können.
Ein weiterer Handlungsansatz ist die Verbesserung der Barrierefreiheit an städtischen Liegenschaften bei Sanierungsmaßnahmen. Die Fachdienste Hochbau sowie Stadtgrün und Friedhöfe der Stadt Marburg haben bereits für einige Liegenschaften ausgearbeitet, welche Möglichkeiten es beispielsweise für Rollstuhlfahrende gibt, mehrere Etagen in bestimmten Gebäuden selbständig erreichen zu können. So sind etwa für die Otto-Ubbelohde-Schule, Richtsberg Gesamtschule, Emil-von-Behring-Schule, Gerhart-Hauptmann-Schule und Elisabethschule im Zuge von Sanierungen oder Erweiterungen Aufzüge geplant. Die Planung größerer Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen geht immer mit der Überprüfung von Entwicklungspotentialen bezüglich der Barrierefreiheit einher.
Barrierefreiheit im Sinne von Zugänglichkeit spielt auch beim Handlungsansatz „Öffentliche Spielplätze, Schulhöfe und Außenanlagen von Kindergärten auf dem Weg zu inklusiven Spiel- und Aufenthaltsräumen“ eine Rolle, wobei auch Mehrgenerationenplätze einbezogen werden. Damit ist vorrangig der Fachdienst Stadtgrün und Friedhöfe befasst, teilweise sind es aber auch die Fachdienste Hochbau, Tiefbau und Schule. Darüber hinaus beachtet der Fachdienst Tiefbau als Straßenbaulastträger bei allen Um- und Neubauten von Straßen den Grundsatz der Barrierefreiheit und baut Übergänge an Kreuzungen und Einmündungen dementsprechend mit Nullabsenkungen und taktilen Leitsystemen aus.
Um Barrierefreiheit geht es auch bei der Weiterentwicklung der städtischen Homepage www.marburg.de, an der maßgeblfür ich der Fachdienst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beteiligt ist. Der Fokus der Stadt Marburg liegt bereits seit 2004 darauf, die Barrierefreiheit des städtischen Internetauftritts zu erhöhen. Ziel ist dabei, dass die Website und ihre Inhalte grundsätzlich alle Nutzenden zugänglich sind, unabhängig von deren persönlichen Möglichkeiten oder etwaigen Einschränkungen.
Derzeit wird die Homepage der Stadt konzeptionell und redaktionell überarbeitet. Das Thema „digitale Barrierefreiheit“ ist für mehrere Zielgruppen wichtig. Dazu zählen unter anderem blinde und sehbehinderte Menschen, Gehörlose, Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben. Digitale Barrierefreiheit beinhaltet unter anderem leichte und intuitive Bedienbarkeit, gut strukturierte und verständliche Inhalte, ausreichende Kontraste, keine optischen Irritationen, Ergänzung von Bild- und Videobeschreibungen, Einbindung von Videos in Gebärdensprache, Bereitstellung von zusätzlichen Inhalten und Funktionen.
Die aufgeführten Projekte sind eine beispielhafte Auswahl der 49 Maßnahmen, die als Handlungsansätze im Zweiten Marburger Aktionsplan zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu finden sind. In der Universitätsstadt wird die UN-BRK kontinuierlich durch kommunale Berichterstattung und Teilhabeplanung umgesetzt. Die UN-BRK verfolgt das Ziel, die Rechte von Menschen mit Behinderungen weiter zu stärken.
Dabei geht es um die Förderung der Chancengleichheit und um eine allesumfassende gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Menschen mit Beeinträchtigungen sollen in allen Lebensbereichen die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten haben und Barrieren jeglicher Art weiter abgebaut werden.
Mit dem ersten Teilhabebericht im Jahr 2015 und dem darauffolgenden Aktionsplan 2017 begann die Umsetzungsarbeit. 2020 wurde der Prozess mit dem zweiten Teilhabebericht im Jahr 2020 und 2022 mit dem zweiten Aktionsplan fortgesetzt. Als Gesamtkonzept umfasst auch der zweite Plan Handlungsansätze und Ziele der städtischen Verwaltung und von zahlreichen Kooperationspartner*innen, um die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Marburg weiter zu stärken.
Für die Steuerung und Koordinierung des Gesamtprozesses ist die Sozialplanung der Universitätsstadt Marburg verantwortlich. Weitere Informationen und den Zwischenbericht gibt es unter www.marburg.de/teilhabe. Ein weiterer Zwischenbericht zum Umsetzungsprozess und ein „Abschlussbericht 2024“ folgen.

* pm: Stadt Marburg

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