Neue Aussichten: Projekt zur Dorfsanierung in Außenstadtteilen

Die Dorfentwicklung macht Marburger Außenstadtteile fit für die Zukunft. Dazu gibt es stadtteilübergreifende Projekte und Veranstaltungen.
Mehrgenerationenplätze, sanierte Bürgerhäuser und Carsharing sind nur ein paar der Projekte, die durch das Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen angestoßen wurden. Seit 2014 ist die Universitätsstadt Marburg mit ihren 15 Außenstadteilen Teil des Programms. Seitdem hat sich viel getan.
Die Stadt berichtete am Montag (6. Februar), was bisher erreicht wurde und was 2023 noch ansteht. Noch bis Ende des Jahres können Marburger*innen Anträge auf Förderung stellen.
„Mit den Förderungen aus dem Dorfentwicklungsprogramm haben wir in den Marburger Außenstadtteilen einige Projekte auf den Weg gebracht – ob Mehrgenerationenplätze, Umbauten, Sanierungen oder das Carsharing-Projekt für eine verbesserte und nachhaltige Mobilität“, resümierte Stadtrat Dr. Michael Kopatz. „Mein besonderer Dank gilt dabei vor allem den Bürger*innen, ohne deren herausragendes Engagement das alles nicht möglich wäre.“
Die Universitätsstadt Marburg ist mit ihren 15 Außenstadtteilen 2014 in das Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen aufgenommen worden und startete damit ein Pilotprojekt zur Dorfentwicklung in Hessen. Hintergrund für das Programm sind die steigenden Anforderungen, die sich vor allem aus dem demografischen und sozioökonomischen Wandel ergeben. Deshalb sollen in den ländlich geprägten Stadtteilen zentrale Funktionen gestärkt und gute Wohn- und Lebensqualität erhalten und verbessert werden.
Begonnen hat die Dorfentwicklung in Marburg mit öffentlichen Ortsrundgängen in allen Außenstadtteilen. Ideen und Wünsche wurden gesammelt, Stärken und Schwächen analysiert – so entstand mit Hilfe von mehr als 300 Bürgerinnen und Bürgern das „Integrierte Kommunale Entwicklungskonzept“ (IKEK), das die Stadtverordnetenversammlung (StVV) im November 2016 beschlossen hat.
Der Slogan „Marburg, das sind wir alle“ dient dabei als Leitbegriff. Die Themen reichen von Konzepten gegen zunehmenden Leerstand in den Dorfkernen über die Vernetzung von Vereinen und Kulturangeboten, Verbesserung der Aufenthaltsqualität von zentralen Grünflächen bis zu der Förderung der Fahrradmobilität zwischen den Dörfern und in die Kernstadt. Entstanden sind dann mehrere Arbeitsgruppen aus engagierten Bürger*innen, die sich bestimmten Themenschwerpunkten in der Dorfentwicklung widmen.
Ein Schwerpunkt im IKEK ist die Sanierung von Bürgerhäusern (BGH). In Bortshausen wurde sie bereits abgeschlossen. Der Umbau kostete rund 200.000 Euro.
Davon kamen 60.000 Euro aus dem Dorfentwicklungsprogramm. Für die Bürgerhäuser in Dilschhausen, Hermershausen und Haddamshausen sollen noch Förderanträge gestellt werden. Für Dilschhausen sind 800.000 Euro eingeplant; für Haddamshausen rechnet die Stadt zunächst mit 30.000 Euro für eine Vorplanung und für Hermershausen mit einer Million Euro.
Angestoßen durch die Dorfentwicklung hatte die Stadt Marburg 2020 zudem beschlossen, auch die anderen Bürgerhäuser im Rahmen eines „Entwicklungskonzepts für die Bürgerhäuser in den Außenstadtteilen“ zu sanieren – denn die Bürgerhäuser dienen als Herz der Stadtteile, sind Treffpunkt, Versammlungsort, Raum für Vereinsleben und Dorfleben. Die Planungen für das jeweilige Bürgerhaus wurden in der Reihe „Mein Dorf in Marburg“ näher vorgestellt.
Seit Februar 2021 ist das „Digitale Bürgerhaus“ geöffnet. Dort treffen sich Vereine, Initiativen und Gruppierungen in den äußeren Stadtteilen Marburgs online. Genutzt wird das „Digitale Bürgerhaus“ für Konferenzen, Vereinstreffen oder Ortsbeiratssitzungen, Info-Veranstaltungen, Vorstandssitzungen oder sportliche Veranstaltungen wie beispielsweise Yoga.
Das „Digitale Bürgerhaus“ wird vor allem von der AG Ehrenamt und dem Ortsvorsteher Hubert Detriche aus Hermershausen, verwaltet und gepflegt. Online-Lots*innen unterstützen dabei, eine Video-Konferenz zu starten und durchzuführen, erklären den Umgang mit Tablet und Smartphone und sind auch für Themen rund um Datenschutz zuständig. Koordinator*innen vergeben Termine, übernehmen Schulungen und unterstützen bei der Umsetzung von digitalen Treffen.
Ein Ziel des Dorfentwicklungsprogramms ist, die Ortskerne zu beleben und die Dorfgemeinschaft zusammenzubringen. Beim Anlegen von Mehrgenerationenplätzen hat die Dorfgemeinschaft nun nicht nur neue Treffpunkte erhalten – sondern ist bei der Gestaltung und Umsetzung wirklich zusammengerückt.
In Gisselberg liegen seit 2019 direkt gegenüber vom Bürgerhaus ein Bolzplatz, ein kleiner Spielplatz und ein Mehrgenerationenplatz (MGP) mit Fitnessgeräten, Pavillon und einer Boule-Bahn. Dabei haben die Bürgerinnen und Bürger in Eigenleistung mit angepackt und eine Gruppe die Patenschaft für den Platz übernommen. Rund 26.000 Euro kamen aus dem Landesprogramm, weitere 11.000 Euro aus dem städtischen Haushalt.
Ebenfalls mit Eigenleistung und einer Patenschaft wurde 2020 in Wehrshausen ein Bouleplatz mit Pavillon und Sitzbänken umgesetzt. Dagobertshausen bekam 2021 den MPG „Salzköppel“. Auf rund 700 Quadratmetern finden sich dort ein Spielplatz, ein Bouleplatz und Sitzmöglichkeiten.
Mitgebaut haben Eltern, Einwohner*innen und jugendliche Migrant*innen einer benachbarten Wohngruppe. Auch durch die Dorfentwicklung ermöglicht wurden die Umgestaltung der Freifläche am Ehrenmal und der Kirche in Dilschhausen, die zum Verweilen einlädt sowie der „Treffpunkt Komp“ in Moischt, der unter anderem als Dorfcafé, Pausenstation für Radfahrer*innen und Veranstaltungsort für Vereine und private Feiern genutzt wird.
Die Arbeiten an einem Mehrgenerationenplatz in Cyriaxweimar sind seit Anfang November 2022 im Gange. Dort werden eine Terrassenfläche und ein Beachvolleyballfeld mit Fitnessbereich (Calisthenic und Bewegungsgeräte) und Aufenthaltsmöglichkeiten angelegt. Das wird insgesamt rund 340.000 Euro kosten.
Mobilität und Mobilitätswende sind wichtige Themen. Damit auch die Außenstadtteile untereinander und zur Kernstadt besser angeschlossen sind, starteten die Stadtteile Ginseldorf, Moischt und Elnhausen mit Dagobertshausen in eine dreijährige Pilotphase für ein Bürger-Carsharing.
Für das Projekt gibt es eine Förderzusage des Landes Hessen über das Dorfentwicklungsprogramm von 20.000 Euro. Die Stadt Marburg beteiligt sich mit mindestens 15.000 Euro.
In Ginseldorf stehen der Bevölkerung über den Dorfladenverein zwei E-Autos zur Verfügung, die sie flexibel für Versorgungs- und Freizeitfahrten ausleihen können. Über weitere Förderprogramme gibt es dort auch ein Lastenrad und zwei Transporträder.
Im Stadtteil Moischt hat sich der Verein „Moischt mobil“ gegründet, der die Mobilität fördern will. In Elnhausen und Dagobertshausen ist ebenfalls ein Verein gegründet worden, der möglichst auch die westlichen Stadtteile einbinden will.
Im Rahmen des Dorfentwicklungsprogramms werden auch private Projekte gefördert wie etwa Scheunenumbau zu Wohnzwecken, Fassadensanierung, Fachwerksanierung, Dacheindeckung, energetische Sanierung, städtebaulich verträglicher Abbruch und Ersatzneubauten sowie Planungsleistungen. Von 2015 bis 2022 wurden 72 private Vorhaben bewilligt. Überwiegend handelt es sich dabei um Sanierungen; aber auch zwei neue Wohngebäude sowie Anbauten und Umbauten zur Schaffung von Wohnraum. So hat beispielsweise Ortsvorsteher Uwe Rauch aus Ronhausen eine Scheune in ein Wohnhaus oder Sascha Wetzstein aus Ginseldorf ein leerstehendes Bauernhaus in ein Zweiparteienhaus umgebaut.
Bei einem Investitionsvolumen von mehr als 7 Millionen Euro wurden die privaten Baumaßnahmen mit insgesamt 1,7 Millionen Euro aus Mitteln der Dorfentwicklung gefördert. Noch bis Ende 2023 können alle, die ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Hofanlage im Ortskern eines Außenstadtteils von Marburg haben, Zuschüsse für Sanierungen, Um- oder Neubauten beantragen. Aufgrund knapper Mittel wird jedoch eine frühzeitige Antragstellung bis Mittwoch (15. März) empfohlen.
Das Dorfentwicklungsprogramm fördert neben Großprojekten und Baumaßnahmen auch Veranstaltungen und Workshops, die die Dorfgemeinschaften zusammenbringen, informieren und so die Dörfer beleben. So gibt es seit 2019 jährlich den „Tag der Mobilität“, 2017/2018 gab es die Veranstaltungsreihe „Mitmachen im Dorf“ sowie die Veranstaltung „Vereine fit für die Zukunft“ und es fanden mehrere Praxisworkshops statt – etwa um Fachwissen rund um Lehm, Kalkputz oder Natursteinmauern zu vermitteln.
Auch in diesem Jahr sind weitere Veranstaltungen der AG Ehrenamt geplant. Das Carsharing-Pilotprojekt wird weiter ausgebaut und die Wissensvermittlung über die Kümmerer sowie Workshops und Exkursionen fortgesetzt. Außerdem soll die Freifläche am Ehrenmal in Elnhausen umgestaltet werden.
So läuft zwar Ende 2023 der Förderzeitraum aus; die Aktivitäten sind aber noch in vollem Gange. Auch über die Förderung hinaus werden sie die Dorfgemeinschaft und die Außenstadtteile deutlich prägen.
Die Abkürzung „IKEK“ steht für „Integriertes Kommunales Entwicklungskonzept“. Dabei geht es im Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen darum, (Bau-)Maßnahmen in den Ortskernen zu fördern, die zum Erhalt oder zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise die Modernisierung der Bürgerhäuser, den Bau von Mehrgenerationenplätzen, die Umgestaltung von Grün- und Freiflächen oder Angebote verschiedener Workshops und Aktionen.
Zudem können alle, die ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Hofanlage im Ortskern und ausgewiesenen Fördergebiet in einem der 15 Marburger Außenstadtteile besitzen, Anträge auf Zuschüsse zu Sanierungen, Um- oder Neubauten stellen. Bei einer Förderquote von 35 Prozent der förderfähigen Nettokosten, können Antragsstellende pro Objekt bis zu 45.000 Euro – für Kulturdenkmäler maximal 60.000 Euro – erhalten. Förderanträge können noch bis Ende 2023 gestellt werden.
Weitere Informationen gibt es bei Rose Michelsen vom Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Universitätsstadt Marburg unter der Telefonnummer 06421/201-1625 oder per Mail an rose.michelsen@marburg-stadt.de. Auskünfte zu den Fördermodalitäten erteilt Stefanie Auer beim Fachdienst Kreisentwicklung des Landkreises Marburg-Biedenkopf unter 06421/405-6131 oder AuerS@marburg-biedenkopf.de.

* pm: Stadt Marburg

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