Spiegelslustturm: Inklusives Café im Kaiser-Wilhelm-Turm

Eine feste Institution in Marburg ist das Turmcafé im Spiegelslustturm. Auf den Lahnbergen leuchtete lange Zeit das himbeerrote Herz am Kaiser-Wilhelm-Turm.
Viele Erinnerungen verbinde ich mit dem Turm und vor Allem dem dortigen Café. Das reicht von Besuchen bei Veranstaltungen dort oder dem Einkehren bei Wanderungen bis hin zu Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern sowie der Verleihung des Marburger Leuchtfeuers 2016 an Lutz Götzfried. Jahrelang waren er und seine Ehefrau Karin die guten Seelen des Turmcafés und seines Trägervereins.
1993 hatten beide den Verein „MObiLO“ als Arbeitgeber für Menschen mit psychischen beeinträchtigungen gegründet. 2005 übernahm er die Bewirtschaftung des Kaiser-Wilhelm-Turms. Das Ehepaar Götzfried organisierte die Vereinsarbeit ebenso wie den Betrieb des Turmcafés als Ausflugsziel, Veranstaltungsort und gemütlicher Ort zum Entspannen.
Erbaut worden war der Kaiser-Wilhelm-Turm zwischen 1874 und 1890 als Aussichtspunkt ebenso wie als nationalistisches Kriegerdenkmal. 1876 fiel die Konstruktion des Architekten Karl Schäfer bei einem Sturm in sich zusammen und wurde erst zwischen 1887 und 1890 von Manfred Wentzel fertiggestellt. Das Bauwerk aus Bruchsteinen ist 32 Meter hoch und steht auf den Lahnbergen oberhalb des Ortenbergs hoch über dem Hauptbahnhof.
Seinen Namen erhielt der Turm von dem ehemaligen Marburger Studenten WERNER FREIHERR VON SPIEGEL ZUM DESENBERG. In der Nähe des Turms hatte er 1829 einen Pavillon errichten lassen, der dem Gelände bald den Namen „Spiegelslust“ gab. In der Nähe suchte er 1872 auch den Standort für den Turm aus.
Das Turmcafé ist über eine Außentreppe erreichbar. Im Inneren sorgt ein alter Kanonenofen im Herbst und Winter für wohlige Wärme. Rechts vom Eingan befindet sich der Gastraum mit hölzernen Tischen und Bänken.
Oben im Turm gibt es auch noch eine kleine „Turmstube“, die über eine lange Außentreppe erreichbar ist. Dort finden gelegentlich kleine intime Veranstaltungen statt, während unten im Café egelmäßig Konzerte und Lesungen ausgerichtet werden. Insofern ist das Turmcafé auch ein familiäres Kulturzentrum mit abwechslungsreichem Programm.
Dreimal hat mein Freund Dr. Eckart Fuchs vom dreiköpfigen Team des Podcasts Lagebesprech dort im Fünf-Jahres-Abstand runde Geburtstage gefeiert, bei denen ich jedesmal zugegen war. Bürgermeister Dr. Franz Kahle hat seinen Polterabend am 26. Juni 2008 vor seiner Hochzeit mit Nadine Bernshausen in einem Zelt auf der Freifläche vor dem Turm gefeiert. Mit meiner – im September 2010 verstorbenen – Ehefrau Erdmuthe Sturz habe ich häufig bei schönem Wetter draußen vor dem Turm gesessen und den Ausblick mit Kaffee und Kuchen genossen.
An Liederabende mit „Schlagern“ der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnere ich mich ebenso wie an Auftritte von Lutz Götzfried zusammen mit Jochen Schäfer. Rezitationen von Gedichten habe ich im Turmcafé erlebt und danach den 20 minütigen Fußweg durch den Wald zur Bushaltestelle beim Universitätsklinikum Lahnberge. Bei Wind und Wetter habe ich ihn mitunter zurückgelegt in nahezu völliger Dunkelheit.
Der mühsame Aufstieg durch den Wald wie auch der anschließende Abstieg gehört ebenso zum Turm-Erlebnis wie die Menschen, die dort trotz ihrer Beeinträchtigung einen passenden Arbeitsplatz finden. Die gemütliche Atmosphäre und das Herz, das oben angebracht wurde und das man mit einem Anruf bei einer kostenpflichtigen Telefonnummer zum Leuchten bringen konnte, machen den Spiegelslustturm zu einem einmaligen Juwel der Marburger Kultur. Längst gehört auch das Turmcafé zu den legendären Lokalen in Marburg.

* Franz-Josef Hanke

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