Geschaut und gestaunt: Ausstellung zu Luther und Hexen eröffnet

„Kreuzfeuer. Bruxa, Strega und Ragana – Luther und die Hexen“ lautet der Titel einer Ausstellung in der Brüder-Grimm-Stube. Drei Künstlerinnen haben sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und zeigen Werke auf Papier und Stoff.
„Es ist ein düsteres, ein beklemmendes Thema“, sagte Dr. Christoph Becker vom Fachdienst Kultur in seiner Einführung zur Ausstellung. „Bruxa“, „Strega“ und „Ragana“ sind Worte aus anderen europäischen Sprachen für „Hexe“.
Die Forschung geht von einem gemeinsamen germanischen „Urwort“ namens „hagahatussi“ aus, das sich aus den Bezeichnungen für „Buschwerk“ und „wohnen“ oder „hausen“ zusammensetzt. „Die Hexe war also ursprünglich eine außerhalb der dörflichen Gemeinschaft lebende Waldfrau“, erklärte Becker.
Der Titel „Kreuzfeuer“ hat seinen Ursprung im Militärischen. Dort bezeichnet das Wort den Beschuss von mehreren Seiten. Wenn man „Beschuss“ durch „Betrachtung“ ersetze, dann habe man genau das, was die Besucher der Ausstellung erwartet, erläuterte Becker: „Gleich drei Künstlerinnen haben sich von verschiedenen Seiten mit unterschiedlichen Fragestellungen, Herangehensweisen und in verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen auf das Thema der Hexenverfolgung eingeschossen.“
Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach wies bei der Vernissage darauf hin, dass die erste städtische Aktivität zum Luther-Jahr 2017 eine Ausstellung mit dem Titel „Luther und der Antisemitismus“ war. Die letzte städtische Ausstellung beschäftige sich nun mit dem Thema „Luther und die Hexen“. „Damit ist eine Art Rahmen gegeben, an dem sich deutlich machen lässt, dass der Reformator keinesfalls nur die Lichtgestalt war, die man in seinem Jubeljahr gern in ihm sehen möchte“, sagte Weinbach.
Dass Martin Luther „bei aller Reformation doch in vielen Punkten tief in seinem düsteren Jahrhundert verwurzelt“ war, wie die Kulturdezernentin es formulierte, bestätigte auch Becker. In dem, was er zur Hexenverfolgung sagte, erweise sich Luther als ein Mensch und als ein Mann seiner düsteren und unaufgeklärten Zeit.
„Ich will der erste sein, der Feuer an sie legt“, heißt es in seiner Hexenpredigt aus dem Jahr 1526. Er sprach von Frauen, die „durch Verführungen dem Satan unterworfen sind“, die „ein Kind verzaubern“ könnten oder „geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen“.
„Luther verzapft also den gleichen Schwachsinn, der damals wahrscheinlich an jedem Dorfbrunnen weitererzählt wurde“, urteilte Becker. So segensreich und bewundernswert sein Wirken sonst auch gewesen sein mag, in Bezug auf die Hexenverfolgung mache ihn das zu einer Art „Schreibtischtäter“. Was es für die Opfer der Hysterie des 16. und 17 Jahrhunderts bedeutet haben muss, aus dem Leben gerissen, gefoltert und verbrannt zu werden, das führen die drei an der Ausstellung beteiligten Künstlerinnen den Besuchern sinnlich vor Augen.
Für Annett Andersch, die aus Wittenberg stammt, sei Luther gewissermaßen ein „alter Bekannter“, an dem man dort nicht vorbeikomme. Sie hat eine Skulptur aus Stoff geschaffen, die sich am direktesten mit dem Reformator auseinandersetzt.
Eine der Besonderheiten dieser Skulptur mit dem Titel „ML“ ist, dass die Materialien dafür gefunden sind. Auch die Dreidimensionalität des Werks ist etwas, was man geheimhin nicht beim Stichwort „Textilkunst“ erwartet. Andersch hat unter anderem auch die Worte von Luthers Hexenpredigt eingearbeitet mit leuchtend roten Fäden, die an vielen Stellen lose heraushängen und wie Flammen wirken.
Signalwirkung hat auch die titelgebende Arbeit „Kreuzfeuer“ von Susann Hoffmeister aus Neckeroda, die in der Mitte des Raums in der Brüder-Grimm-Stube hängt. Die Stoffe, die Hoffmeister für ihre Werke verwendet, werden experimentell ausgewählt und bearbeitet. Mal sind sie unter der Erde vergaben, mal in Draht gewickelt, mal mit Farben aus Mehl. Ruß oder Sägespänen eingefärbt.
Bis hinein in die Stoffstruktur finde man in Hoffmeisters Arbeit „eine intensive und gründlich recherchierte Auseinandersetzung mit den verschiedensten Aspekten der Hexenverfolgung“, lobte Becker die Künstlerin. Luther wird in einer ihrer Arbeiten durch den Turm der Schlosskirche von Wittenberg repräsentiert. Um ihn herum hat sie die Namen der als Hexen hingerichteten Frauen eingearbeitet.
Kerstin Steiner aus Weimar in Thüringen ist mit Bildern, Zeichnungen, Drucken und Collagen in der Ausstellung vertreten. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, was in den Frauen geschieht, die von einer „riesigen, durchgedrehten Maschinerie“ plötzlich als Hexen verleumdet und in einen schrecklichen Tod geschickt wurden. Ihre Angst, ihre Qualen sind in den Arbeiten von Steiner visualisiert.
Das geschehe laut Becker jedoch nicht ohne ein ironisches Moment: Da kommen Hänsel und Gretel nämlich als ein „brandschatzendes Raubmörder-Pärchen“ daher und bürsten das bekannte Märchen ordentlich gegen den Strich.
Die Ausstellung ist noch bis Sonntag (15. Oktober) in der Brüder-Grimm-Stube zu sehen.

* pm: Stadt Marburg

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