Ein Zuhause für obdachlose Männer möchte die Stadt schaffen. „Ein Vinzi-Dorf für Marburg“ nimmt Gestalt an.
Obdachlosen Männern ein Zuhause geben soll das Projekt „Ein Vinzi-Dorf für Marburg“. Bei einem Workshop im Erwin-Piscator-Haus (EPH) kamen rund 20 Marburgerinnen und Marburger zusammen, um gemeinsam verschiedene Möglichkeiten des Engagements im Rahmen des Projekts zu überlegen und zu planen.
Rund 20 Interessierte kamen zum Workshop im Erwin-Piscator-Haus. Sie alle wollen helfen. Bevor es um ihre Motivationen und Möglichkeiten, sich zu engagieren, ging, erläuterten Peter Schmidt vom Fachbereich Soziales und Wohnen, die Sozialplanerin Monique Meier und GeWoBau-Geschäftsführer Jürgen Rausch den aktuellen Stand.
Bislang stehen für obdachlose Männer und Frauen Unterkünfte der Stadt im Waldtal zur Verfügung. Seit drei Jahren gibt es zudem das Angebot des Probewohnens. Das bedeutet, dass die Stadt Marburg Wohnungen – teilweise von der GeWoBau und anderen Wohnungsbaugesellschaften sowie von privaten Vermieterinnen oder Vermietern – anbietet, die obdachlosen Menschen zunächst mit sozialpädagogischer Unterstützung beziehen können.
Wenn sich ihr Lebensalltag stabilisiert, unterzeichnen sie den Mietvertrag selbst. Doch nicht alle schaffen einen solchen Schritt und für sie sind die städtischen Unterkünfte ein Obdach.
Die Stadt Marburg hat ein Haus in der Gemoll in Ockershausen angemietet, in das nun Frauen, Paare und Familien einziehen werden. Die entstehenden Vinzi-Dörfer richten sich explizit an obdachlose Männer. Zur Standort-Frage habe die Stadt eine Betroffenenbefragung als Grundlage und es gehe jetzt darum, verschiedene Standorte zu begehen und so die Planung ganz konkret fortzusetzen.
„Ich hoffe, dass wir Anfang nächsten Jahres einen Standort gefunden haben, der allen Kriterien und Bedarfen entspricht“, sagte Meier. Rausch erklärte: „Es geht bei den geplanten Vinzi-Dörfern nicht nur darum, einen Raum zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, die Flächen drum herum so zu gestalten, dass Gemeinschaft entsteht und sich die Menschen geborgen fühlen.“
Neben dem derzeit erarbeiteten Betriebskonzept wird es viele Möglichkeiten für Ehrenamtliche geben, sich zu engagieren und einzubringen: Bei der Gestaltung der Häuser und Flächen, handwerklichen Arbeiten oder auch der Bekanntmachung der Idee – die Möglichkeiten zu helfen, sind vielfältig.
In einer ersten Runde sprachen die Freiwilligen über ihre Motivation, ihre Bedenken und klärten Fragen mit den Hauptamtlichen. Daniel Milani zum Beispiel möchte sich engagieren, weil er aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis Menschen ohne Obdach kennengelernt und begleitet hat: „Ich bin so erzogen worden. Wenn ich auf Menschen treffe, die etwas brauchen und vielleicht kein Geld haben oder in Not sind, dann helfe ich natürlich.“
Pfarrer Klaus Nentwich treibt eine christliche Motivation an und zum Vinzi-Dorf-Projekt stellte er in der Gesprächsrunde heraus: „Es gibt viele Argumente, aber was ich bei dem Projekt ganz wichtig finde: Wenn man als Mensch ohne Obdach im Vinzi-Dorf wohnt, dann hat man eine Adresse, damit kann man dann ein Konto eröffnen, als nächsten Schritt kann man Kontakt zu Betrieben aufnehmen und über Praktika oder andere Beschäftigungsverhältnisse irgendwann auch wieder aus dem Vinzi-Dorf ausziehen.“
Neben den schon bestehenden Unterkünften für Menschen ohne Obdach betreibt das Diakonische Werk an der Gisselberger Straße eine Tagesaufenthaltsstätte (TAS). Der hauptamtliche Mitarbeiter Kenneth Verhaal, der in der TAS beim Diakonischen Werk und im städtischen Probewohnangebot arbeitet, erzählte von seinem Arbeitsalltag.
Anschließend berichtete Christian Wild als ehrenamtlich Tätiger von seiner Mitarbeit in der TAS und seinen Erfahrungen: „Viele obdachlose Menschen haben mit Einsamkeit zu tun, was wiederum andere Probleme befeuert. Unsere Tagesaufenthaltsstätte fördert daher Begegnungen.“
Man habe Ärztinnen und Ärzte, Fußpflegerinnen, Friseurinnen oder auch Zahnärzte, die in regelmäßigen Abständen die TAS besuchen. „Mir war immer bewusst, dass es Menschen gibt, die kein Obdach haben; aber seit ich in der TAS mitarbeite, erhalte ich Einblicke darin, was genau das für die Lebensrealität dieser Menschen bedeutet“, berichtete Wild. „und das führt zu einem ganz anderen, respektvolleren Umgang.“
In einer zweiten Runde fanden sich die Interessierten in verschiedenen Arbeitskreisen zusammen. Dr. Griet Newiger-Addy von der städtischen Stabstelle „Bürgerbeteiligung“ berichtete vom ihrem Arbeitskreis, dass die Freiwilligen besprochen und angekündigt haben, wie sie die Idee in ihren persönlichen Netzwerken weitergeben können. Für das Engagement-Bündnis VinziDorf Marburg wurden weitere Unterstützerinnen und Unterstützer gewonnen.
Doris Heineck von der Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf sprach darüber, was eine Freiwillige bei diesem Projekt braucht.
Rahmen und Regelungen für eine gute Zusammenarbeit wurden abgesteckt und die Anbindung von Freiwilligen an hauptamtliche Mitarbeitende besprochen. In einer Arbeitsgruppe mit Johanna Kuty und Petra Feußner vom Fachdienst Wohnungswesen und der Sozialplanung ging es bereits um konkrete und zeitnahe Einsatzbereiche für Ehrenamtliche, die obdachlosen Menschen helfen möchten.
Meier sagte anschließend: „Es freut mich, dass sich heute Ehrenamtliche gemeldet haben, die bereits jetzt im Angebot für obdachlose Frauen helfen möchten. Hier stehen der Aufbau von Schränken und Möbeln sowie die ersten Umzüge an. Die Teilnehmer*innen des Workshops haben ihre Kontaktdaten hinterlassen und das Angebot, sich freiwillig zu engagieren, stieß auf große Resonanz.“
Wer auch Lust bekommen hat, sich in das Projekt einzubringen, kann dem Engagementbündnis für „Ein Vinzi-Dorf für Marburg“ unter www.marburgmachtmit.de/vinzidorf beitreten.
„Vinzi-Dörfer“ stammt von Pfarrer Wolfgang Pucher von der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg (Vinzi-Werke) und wurde in Wien von Architekt Alexander Hagner umgesetzt. Dort stehen standardisierte Minihaus-Module mit je einer Fläche von 7,2 Quadratmetern mit möbliertem, verschließbarem Zimmer inklusive Sanitärzelle.
Auf dem Areal des Vinzi-Dorfs befindet sich ein Massivhaus als Gemeinschafts- und Funktionsgebäude, das mit Küche, Speiseraum, Sanitäranlagen, Gästezimmern und Verwaltungsräumen ausgestattet ist. Das Konzept bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit der Inanspruchnahme für obdachlose Menschen, die mit sozialpädagogischer Unterstützung an das Leben in einem festen Wohnraum wieder gewöhnt werden sollen.
Interessierte können dem Engagement-Bündnis zum Vinzi-Dorf beitreten. So können sie ganz unkompliziert ein persönliches Zeichen setzen und sich bereit erklären, mit dem eigenen Namen für das Projekt einzustehen. Ansprechpartnerinnen auch bei Fragen oder Anregungen sind Monique Meier und Dr. Griet Newiger-Addy, erreichbar unter der E-Mail-Adresse: marburgmachtmit@marburg-stadt.de.
* pm: Stadt Marburg