Unmittelbar am Lahnufer in Wehrda befand sich früher der „Lahngarten“. Das war ein Hotel mit Restaurant.
In den 70er und 80er Jahren gab es dort „Deutsche Küche“. Später zog ein italienisches Restaurant dort ein. Zuletzt betrieben Asiaten das Speiselokal an der Wehrdaer Straße.
Das Schönste am „Lahngarten“ war sein baumbestandener Biergarten hinter dem Haus. Nur durch eine niedrigge Mauer war er von der Lahn getrennt. Dieser gekieste Platz lud an schönen Tagen zum Verweilen und Genießen ein.
Gerne saß ich dort und trank an lauen Sommerabenden Bier oder mittags einen Apfelsaft. Gerne unterhielt ich mich dabei mit Freundinnen und Freunden, während die Lahnn hinter dem niedrigen Mäuerchen leise vorüberplätscherte.
Neben dem Gastraum vornean, der von der Wehrdaer Straße aus seitlich durch eine Tür betreten wurde, befand sich im hinteren Teil des Gebäudes zur Lahn hin noch ein größerer Saal. Ihn verband eine Tür direkt mit dem Biergarten.
Mit Freude und Wehmut erinnere ich mich an Veranstaltungen und Feiern in diesem Saal. Ein befreundeter Sänger trug dort Lieder und Gedichte vor. Seit vielen Jahren ist er bereits gestorbben, weshalb mir das Lokal in guter Erinnerung geblieben ist.
Weniger erfreulich ist die Erinnerung an das vietnamesische Restaurant, das im Gebäude Wehrdaer Straße 102 zu Anfang der 2000er Jahre residierte. Mehrmals bin ich mit meiner Ehefrau Erdmuthe Sturz damals nach dem Schwimmen im Hallenbad Wehrda dort eingekehrt. Widerholt erlebten wir dann das gleiche Schauspiel, was uns schließlich zur Suche nach einem anderen Restaurant veranlasste.
Mit großem Hunger bbetraten wir am Mittag nach dem Besuch des Schwimmbads das weitgehend leere Lokal. Eine junge Frau kam zu uns und nahm eine Bestellung auf. Dann setzte sie sich an eine große Tafel direkt neben der Küchentür.
Nach und nach versamelte sich an diesem Tisch die gesamte vietnamesische Familie. Eine ältere Dame thronte am Kopfende des Tischs. Offenbar war sie das Oberhaupt der Familie.
Eine junge Frau kam mit den bestellten Getränken zu uns. Dann setzte sie sich zu den anderen Familienmitgliedern an den Tisch. Sechs oder sieben Personen saßen da.
Eine weitere Familienangehörige kam aus der Küche und tischte der Familie das Mittagessen auf. Eine halbe Stunde lang saßen dann alle beisammen und aßen. Seelenruhig beendeten sie ihre Malzeit, während wir in einer anderen Ecke des Saals saßen und auf unser Essen oder weitere Getränke warteten.
Erst, wenn die alte Frau fertig gegessen hatte, stand eine ihrer Töchter auf und brachte uns ein weiteres Getränk. Bis wir dann das bestellte Essen erhielten, verging noch inmal mindestens eine Viertelstunde. Dann bekamen wir jedoch ein überaus schmackhaftes Essen.
In nahezu gleicher Weise erlebten wir dieses Schauspiel gleich dreimal. Nur wegen des hervvoragenden Geschmacks der Speisen gaben wir dem Restaurant noch eine zweite und sogar noch eine dritte Chance, bevor wir uns dann doch ein anderes Restaurant zum Mittagessen suchten. Schließlich gab es in Marburg genügend Restaurants, wo man uns wesentlich schneller ein Mittagessen servierte.
Nicht zuletzt die Geringschätzung der Kundschaft bei gleichzeitiger Konzentration auf die eigene Familie mag die Betreiber des „Lahngartens“ am Ende ihren wirtschaftlichen Erfolg gekostet haben. Unser anfängliches Wohlwollen zumindest haben sie damit letztlich völlig vergeigt. Dennoch ist der „Lahngarten“ in Wehrda angesichts meiner vorherigen Erlebnisse für mich auch heute noch eins der legendären Lokale in Marburg.
* Franz-Josef Hanke
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