„Du hast die Straße für uns weit in die Zukunft voraus gebaut“, sagte Patrick Temmesfeld zu Claus Duncker. Diesem Lob schlossen sich zahlreiche andere an.
Nach 15 Jahren als Vorsitzender der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) übergab Duncker sein Amt am Mittwoch (29. Juni) an seinen Stellvertreter Temmesfeld. Nicht nur der stellvertretende BliStA-Vorsitzende lobte Duncker für seine Umsicht und Weitsicht. Als stellvertretender Vorsitzender des BliStA-Verwaltungsrats zählte auch Andreas Bethke einige Verdienste des scheidenden BliStA-Vorsitzenden auf.
„Du hast für die BliStA so viel erreicht, dass wir Dich eigentlich zum Bleiben überreden müssten“, meinte der Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV). Als herausragende Verdienste benannte Bethke die Umsetzung eines inklusiven Konzepts der Blindenbildung unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Dank dieser Konzeption ist die BliStA inzwischen als bundesweites Kompetenzzentrum für Blindheit und Sehbehinderung anerkannt.
Auf dem BliStA-Campus lernen blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler mit Nichtbehinderten zusammen. Eine Kindertagesstäte und die Montessori-Schule haben dort ebenso Platz gefunden wie modernste Einrichtungen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Verschiedene Neubauten hat Duncker auf dem Gelände „Am Schlag“ in seiner Amtszeit auf den Weg gebracht.
Sein jüngstes Projekt eines Neubaus mit variablen Räumen wird jedoch nicht mehr während seiner Dienstzeit vollendet. „Corona und der Ukraine-Krieg haben die Fertigstellung verzögert“, erläuterte Dunckers Nachfolger Temmesfeld. „Wahrscheinlich werden wir beide das Band bei der Einweihung dann gemeinsam durchschneiden.“
Duncker habe früh die Zeichen der Zeit erkannt und Wege gesucht, eine neue Orientierung der BliStA-Pädagogik auszuarbeiten, berichtete Bethke. Damit sei der Verein, der überwiegend von blinden und sehbehinderten Alumni der Carl-Strehl-Schule (CSS) getragen wird, auch wirtschaftlich erfolgreich gewesen. Vor allem aber habe er die Bedürfnisse der Menschen mit Sehbeeinträchtigungen immer in den Mittelpunkt seiner Arbeit erückt.
Das bestätigte auch der neugewählte DBSV-Vorsitzende Hans-Werner Lange. . „Dir ging es immer um die Sache“, erklärte er. „Dafür hast Du seit 2007 immer hart gearbeitet.“
Als „Reisefachmann, der die Menschen mit auf die Reise nimmt“ bezeichnete Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies den scheidenden BliStA-Vorsitzenden. „Sie haben die Sehenden das Sehen gelehrt“, ergänzte er und verwies damit auf Dunckers intensives Werben für die Belange blinder und sehbehinderter Menschen. Für die Stadt Marburg sei die Zusammenarbeit mit ihm und der BliStA überaus fruchtbar und vertrauensvoll gewesen.
Während seiner ersten Berufsjahre hatte der Mathematiklehrer Duncker nebenbei noch ein Reisebüro betrieben. Diese Berufserfahrung habe ihm später sehr geholfen, meinte Bethke. Legendär sei eine Irland-Reise, bei der die BliStA-Gruppe dermaßen im Schlamm steckenblieb, dass Duncker sich eine neue Hose habe kaufen müssen, berichtete Bethke.
„An meine Mathematikstunden, in denen ich mit viel Aufwand Sinuskurven erklärt habe, erinnert sich keiner mehr, wohl aber an die Klassenfahrten“, antwortete Duncker in seiner Dankesrede. Für ihn sei die Arbeit in der BliStA immer eine Verpflichtung gewesen, sich für das Wohl der behinderten Schülerinnen und Schüler einzusetzen.
750 Anwesende im Erwin-Piscator-Haus (EPH) dankten ihm sein Engagement mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations. Zum Abschluss entließ ihn die Showband „Blind Gold“ mit einem gemeinsam gesungenen irischen Reisesegen.
Neben ein wenig Wehmut prägte aber vor allem Heiterkeit die feierliche „Staffelübergabe“ im EPH. Gedankt sei das zum einen der Showband von BliStA-Schülerinnen und Schülern, die peppige Pop-Songs zu Gehör brachte, sowie der launigen Moderation von Thorsten Büchner. „Dass es bei ihnen immer lustig wird, das weiß ich inzwischen ja schon“ hatte Oberbürgermeister Spies gleich zu Beginn seiner Rede bemerkt.
Büchner schlüpfte in Filmszenen mit Audiodeskription in verschiedene Schulräume der BliStA und portraitierte damit humorvoll den scheidenden Chef. Zudem verknüpfte er die Redebeiträge mit heiteren Kommentaren auch zur Corona-Pandemie, die einige geladene Gäste an der geplanten Teilnahme gehindert hatte. Genauso humorvoll reagierte aber auch Duncker, der sein eigenes Wirken zum erfolgreichen Ergebnis gemeinsamer Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BliStA erklärte.
* Franz-Josef Hanke