Gesundheit für alle: Medinetz sammelt Unterschriften zu Petition

Eine gute Gesundheitsversorgung für alle fordert das Medinetz Marburg. Gemeinsam mit dem Medinetz Gießen hat es dazu eine Petition ausgearbeitet.
Bis Mai sammeln die beiden hessischen Medinetze Unterschriften auf www.change.org/gesundheit-für-alle-in-hessen. Mit ihrer Petition fordern sie den hessischen Landtag auf, landesweit den Anonymen Behandlungsschein sowie dezentrale Clearingstellen einzuführen. Solche Stellen unterstützen Ratsuchende darin, in regulären Krankenversicherungsschutz zu kommen.
Viele Menschen haben keinen ausreichenden Versicherungsschutz im Fall einer notwendigen medizinischen Behandlung. Sie werden derzeit von ehrenamtlichen Anlaufstellen wie dem Medinetz Marburg unterstützt. Dorthin können sich Menschen mit gesundheitlichen Problemen wenden, die keinen ausreichenden Zugang zur medizinischen Regelversorgung haben.
Um ihn zu gewährleisten, haben die Medinetze Marburg und Gießen ein praxistaugliches Konzept zur Einrichtung dezentraler unabhängiger Clearingstellen in Hessen ausgearbeitet. Eine notwendige medizinische Behandlung muss aber sofort möglich sein. Dafür ist der Anonyme Behandlungsschein vorgesehen.
Mit ihrem Konzept orientieren sich die hessischen Medinetze an Erfahrungen aus anderen Bundesländern wie Thüringen und Niedersachsen. In Thüringen wurde bereits 2017 der Anonyme Behandlungsschein eingeführt.
Medinetz Marburg und Medinetz Gießen haben schon 2019 eine Petition veröffentlicht, die seither überarbeitet und weiterentwickelt wurde. Sie steht nun seit Februar 2022 zum Unterzeichnen auf der Petitionsplattform change.org online. Ehrenamtliche aus Gießen und Marburg haben dieses Konzept zusammen ausgearbeitet.
Ihre Erfahrungen aus der praktischen Arbeit in Hessen haben sie mit den Erfahrungen bereits existierender Konzepte auf Landesebene wie Thüringen sowie auf städtischer Ebene wie Leipzig, Bonn und Berlin abgeglichen. Das Ergebnis haben sie bereits den Parteien im Hessischen Landtag vorgestellt.
15 bis 20 Ehrenamtliche arbeiten beim Medinetz Marburg mit. Die meisten studieren Medizin. Einige kommen aber auch aus anderen Bereichen.
Finanziert wird ihre Arbeit unter anderem durch Spenden. Aufgrund oft jahrelanger Kontakte arbeitet das Medinetz mit einigen Ärztinnen und Ärzten zusammen. Aber auch die Stadt Marburg unterstützt das Engagement für die barrierefreie Gesundheitsversorgung.
Den Weg zur kostenfreien Beratung der Medinetze finden Betroffene häufig aufgrund von Hinweisen anderer Beratungsstellen und sogar von Behörden. Aber auch die Internetseite www.medinetz-marburg.de sowie die Auftritte auf Social Media vermitteln Menschen an die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater. Sie bemühen sich um individuelle Problemlösungen ohne jegliche Form von Ausgrenzung oder Stigmatisierung.
Sie setzen sich auch dafür ein, Sprachbarrieren in Beratung und Behandlung zu überwinden. „Für medizinische Behandlungen engagieren wir standardmäßig Dolmetscher*innen, wenn das notwendig und gewünscht ist“, berichtet Maxi Haslach vom Medinetz Marburg.
denn Kommunikation sei Teil der ärztlichen Behandlung.Schließlich soll die Behandlung nachhaltig und ganzheitlich wirken.
„Für viele ist es schon eine Entlastung, dass überhaupt jemand da ist und sich ihrer Probleme möglichst unbürokratisch annimmt“, erklärt Haslach. Seit 2019 arbeitet die Studentin der Medizin sowie der Vergleichenden Kultur- und Religionswissenschaft beim Medinetz Marburg mit.
Gegründet wurde die Gruppe im Jahr 2007 hauptsächlich, um Menschen ohne Papiere eine medizinische Versorgung zu ermöglichen. Diese Menschen müssen derzeit beim Besuch einer Ärztin oder eines Arztes aufgrund der rechtlichen Lage nach Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes eine Abschiebung fürchten.
Neben ihnen suchen beim Medinetz Marburg derzeit vor allem Migrantinnen und Migranten aus europäischen Nachbarländern Unterstützung, die in Deutschland unter prekären Bedingungen arbeiten und deshalb oft nicht oder nicht ausreichend krankenversichert sind. Auch kommen Menschen ohne festen Wohnsitz, die nicht krankenversichert sind. Schließlich wenden sich Geflüchtete an das Medinetz, bei denen die öffentliche Finanzierung einzelner Behandlungen abgelehnt oder zu lange verzögert wurde.
Außerdem kommen Menschen, die ihre Krankenversicherungsbeiträge beispielsweise als Freiberufliche nicht bezahlen konnten und deswegen in die unzureichenden „Nottarife“ der Krankenversicherungen rutschen. Während der Corona-Pandemie musste das Medinetz zudem auch Reisenden helfen, deren Reisekrankenversicherung wegen längerer Aufenthaltszeiten in Deutschland aufgrund von Quarantäne oder Aus- und Einreisesperren abgelaufen waren und die deswegen nicht versichert waren. „Die Probleme von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz sind komplex; und deswegen braucht es Clearingstellen als professionelle Beratungsstellen“, fasst Haslach zusammen.
Für sein Engagement gerade in dieser Zeit hatte Medinetz Marburg 2021 das „Marburger Leuchtfeuer für besonderen Einsatz in der Corona-Pandemie“ erhalten. Die Notwendigkeit seines Engagements ist inzwischen auch im Hessischen Landtag weitgehend unumstritten.
„Alle demokratischen Parteien von der Linken bis zur CDU sehen das Problem“, berichtet Haslach. Unterschiede bestehen jedoch in den Konsequenzen, die die Parteien praktisch ziehen. Offenbar geht es dabei vor Allem um Geld.
3,2 Millionen Euro jährlich hat die Petition der Medinetze Marburg und Gießen für die Kosten der Clearingstellen und der Krankenbehandlungen veranschlagt. Das ist ein kleiner Bruchteil dessen, was das Land allein für das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) ausgibt. Zudem möchten die Medinetze, dass die Clearingstellen an bestehende unabhängige Beratungseinrichtungen in den Landkreisen und Städten Hessens angegliedert werden.
Das soll Hürden niedrig halten und bereits bestehende Infrastruktur nutzen. So soll ein langfristig erfolgreiches und effektives Konzept entstehen, das ein richtiger Schritt wäre in Richtung auf ein Menschenrecht auf bestmögliche Gesundheit in Hessen auch und besonders für Menschen in prekären Situationen.

* Franz-Josef Hanke

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