Der Kameramann Philippe Rousselot malt Filme in Licht und Farbe. Er erhielt den 20. Marburger Kamerapreis 2020/21.
Kameramann und Oscar-Preisträger Philippe Rousselot hat den 20. Marburger Kamerapreis erhalten. Die Stadt Marburg und die Philipps-Universität haben die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung bereits zum 20. Mal verliehen. Die Preisverleihung im Cineplex bildete gleichzeitig den Abschluss der 22. Bild-Kunst Kameragespräche.
„Die Vielfalt und die Multiperspektivität sind genau das, was wir an Marburg so schätzen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies anlässlich der Verleihung. „Und genau dies finden wir auch in den Filmen, in denen uns stets etwas Neues begegnet.“
Zum 20-jährigen Bestehen erinnerte sich der Kulturdezernent an die Anfänge des Marburger Kamerapreises im Rathaus und daran, wie stark sich der Preis seitdem im Kultursektor etabliert sowie entwickelt hat. Dabei nannte der OB die drei Hauptmerkmale, die den Preis auszeichnen sollten: die ästhetische Leistung von Kameraleuten zu würdigen, die Stadt Marburg in den öffentlichen Blickpunkt von Filminteressierten zu bringen und die Kooperation von Wissenschaft und Kultur zu stärken. Das sei seit dem Anfang des Marburger Kamerapreises gelungen.
„Philippe Rousselots Werk legt davon Zeugnis ab, wie selbst in den generalstabsmäßig geplanten Filmen des zeitgenössischen Hollywoodkinos eine einzelne Person immer wieder aufs Neue einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Bilder leisten kann, zumindest dann, wenn diese Person so variabel, neugierig und unvoreingenommen ist wie Philippe Rousselot“, erklärte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause. Über die wissenschaftlichen Aspekte des Preises sagte sie: „In den Bild-Kunst-Kameragesprächen gehen wir der Frage nach, wie Bilder uns Geschichten von der Wirklichkeit erzählen und wie wir uns durch Bilder und Töne in fremde Universen entführen lassen. Dabei geht es gerade nicht darum, nur einen unterhaltsamen Abend und ein paar schöne Bilder zu liefern, sondern gemeinsam in einem Kreis von Forschenden, Studierenden, Filmbegeisterten und natürlich den Menschen vom Fach, nämlich den Kameraleuten, zu ergründen, auf welche Weise Bilder zustande kommen, was ihre Form mitteilt und wie uns visuell verfasste Bilder und Geschichten bewegen.“
Dr. Thorolf Lipp von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst betonte, dass die kulturelle Leistung der Kameraleute, Bilder und Emotionen entstehen zu lassen, nicht hoch genug zu schätzen sei. Wer in diesem Bereich außergewöhnliche Arbeit geleistet habe, sei der diesjährige Preisträger Rousselot.
„Seine persönliche Art, mit dem Licht zu arbeiten, machte international Schule und ihn zu einem der einflussreichsten Kameraleute der vergangenen Jahrzehnte“, heißt es unter anderem in der Jury-Begründung. „Es gibt keinen anderen Kameramann, dessen Karriere sich in der Reichweite mit der von Philippe Rousselot vergleichen lässt. Diese spannt sich von der genauen Beobachtung der französischen Alltagswelt in der Nouvelle Vague über das cinéma du look und anspruchsvolle Hollywood-Produktionen bis hin zum zeitgenössischen Special-Effects-Kino. Umso bemerkenswerter ist, dass Rousselot in allen diesen Bereichen Außergewöhnliches geleistet hat“, zitierte Lipp die Jurybegründung weiter.
Benjamin Bergery fand in seiner Laudatio eine Fülle an Beispielen, die den Kameramann Rousselot in seiner Persönlichkeit sowie in seiner Arbeit auszeichnen. Rousselot habe nicht nur ein sehr breites Spektrum zu bieten, sondern wisse insbesondere die verschiedenen Facetten von Licht, Farbe und dem richtigen Timing einzusetzen. In seinem Schlusswort beschrieb er Rousselot als einen filmischen Künstler, einen Innovator, einen kreativen Maler und vor allem als einen freundlichen Menschen, der alle mit Respekt behandle und zudem über sich selbst lachen könne.
Rousselot bedankte sich herzlich bei allen Beteiligten, die seinen Aufenthalt in Marburg so angenehm gestalteten und die Kameragespräche sowie die Preisverleihung organisiert und betreut haben. Nicht zuletzt dankte er für die Auszeichnung durch den Marburger Kamerapreis: „Dieser Preis zeigt mir, dass ich meinem Leben doch etwas bewirkt habe.“
Auch die Gespräche habe er sehr genossen. „Ich genieße es, mich mit Studierenden, Filminteressierten, Regisseuren und Crew-Mitgliedern über Filme, Bilder und deren Entstehung zu unterhalten.“
Der 1945 im ostfranzösischen Briey geborene Rousselot zählt seit den 70er Jahren zu den wichtigen Bildgestaltern der Post-Nouvelle-Vague-Generation. Er studierte an der École nationale supérieure Louis-Lumière, an der auch bereits der Marburger Kamerapreisträger Eduardo Serra seinen Abschluss machte. Danach stand Rousselot an der Seite von Néstor Almendros, dem er 1969 bei „Meine Nacht bei Maude“ dem Regisseur Éric Rohmer assistierte.
Seinen internationalen Durchbruch feierte er 1981 mit dem Film „Diva“ unter der Regie von Jean-Jacques Beineix. Dann folgten internationale Produktionen wie „Der Smaragdwald“ unter der Regie von John Bormann oder „Gefährliche Liebschaften“ unter der Regie von Stephen Frears. Für die ikonischen Aufnahmen des Fliegenfischens in Robert Redfords „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ wurde er 1993 in der Kategorie „Beste Kamera“ mit dem Oscar geehrt.
„Alles, was in den vergangenen 30 bis 40 Jahren Rang und Namen hatte, stand schon vor seiner Kamera“, schwärmte Prof. Dr. Malte Hagener, der die Leitung des Marburger Kamerapreises innehat. Neben dem Oscar, für den er zwei weitere Nominierungen bekam, erhielt Rousselot weitere renommierte Preise wie den British Academy of Film and Television Award (BAFTA), den César und den American Society of Cinematographers Awards (ASC). Er ist Mitglied der Association française des directeurs de la photograpie cinématographique (AFC) und der American Society of Cinematographer (ASC).
Die Auszeichnung mit dem Marburger Kamerapreis biete Rousselot ebenso wie seinen Vorgänger*innen etwas, das keiner der großen internationalen Preise zu bieten habe, erklärte Michael Neubauer vom Berufsverband Kinematografie. Neben der Wertschätzung sei das auch die Würdigung einer intellektuellen und kritischen Auseinandersetzung mit seiner Arbeit. „Herzstück“ der Auszeichnung sind laut Neubauer nämlich die Bild-Kunst Kameragespräche, bei denen Experten, Studierende und Besucher*innen mit dem Preisträger ins Gespräch kommen können.
Die Gespräche wurden zwei Jahre, bevor der Marburger Kamerapreis zum ersten Mal vergeben wurde, von Hubert Hetsch vom Kammer-Filmkunsttheater Marburg und Prof. Dr. Karl Prümm initiiert. Hetsch ist von der Wahl Rousselots total begeistert. Der Kameramann habe ein unglaubliches Gespür für Licht, für Farben und für Stimmungen.
„Damit hat er es vermocht, die Kälte der künstlichen, computergenerierten Bilder in Filmen wie ,Phantastische Tierwesen‘ zu überwinden“, erklärte Hetsch. Die Bilder in einem Film müssen immer zur Geschichte passen und das gelinge Philippe Rousselot auf herausragende Art und Weise.
Die Bild-Kunst Kameragespräche, die in den Filmkunsttheatern im Capitol stattfanden, rahmten die Preisverleihung im Cineplex ein. Den Marburger Kamerapreis organisierten und leiteten Prof. Dr. Malte Hagener, Dr. Martin Jehle vom Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität und der Fachdienst Kultur der Stadt Marburg. Musikalisch begleitet wurde die Preisverleihung von den Jazzrobots.
* pm: Stadt Marburg