Eine „Wasserstoffregion“ wollen die Stadt und der Kreis werden. 60 Akteure entwickeln hier ein Konzept zur Nutzung von Wasserstoff als Energieträger.
Wie kann Wasserstoff in der Region hergestellt und genutzt werden? Mit diesen Fragen haben sich der Landkreis Marburg-Biedenkopf, die Stadtwerke Marburg (SWM) und die Universitätsstadt Marburg gemeinsam im Rahmen des Projekts „HyStarter“ des Bundesverkehrsministeriums befasst. Nach einem Jahr wurden nun die Ergebnisse präsentiert.
Im Landkreis sind die Umstände mit bereits vielen vorhandenen Biogasanlagen günstig – denn damit lässt sich auch Wasserstoff herstellen.
Als eine von neun Regionen bundesweit und die einzige in Hessen hat Marburg-Biedenkopf an einem Modellprojekt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Thema Wasserstoff teilgenommen. Den Abschlussbericht des Projekts „HyStarter“ haben die Beteiligten nun vor 70 Gästen vorgestellt.
„Die kommunale Ebene ist die, auf der Klimaneutralität letztendlich angepackt werden muss“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Veranstaltung im Cineplex. Dafür habe man nun weitere Ideen zusammengetragen. „Es müssen Wege zur Klimaneutralität vorhanden sein und sie müssen für alle gangbar sein“, forderte Spies.
Insgesamt 60 Akteure aus Wissenschaft und Verwaltung sowie Unternehmen haben bei „HyStarter“ mitgemacht – darunter etwa Viessmann, der RMV, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), die Philipps-Universität und die Technische Hochschule Mittelhessen (THM). Das Bundesverkehrsministerium habe das Projekt unterstützt, indem es den Akteuren unterschiedliche Firmen zur Seite gestellt hat. Wie Heike Wagner vom Fachbereich Ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Landkreises ausführte, haben diese Firmen etwa bei der Konzeption und dem Projektmanagement mitgearbeitet.
Stadtwerke-Geschäftsführer Dr. Bernhard Müller sagte, allein mit reinem Strom könne Klimaneutralität nicht erreicht werden – aufgrund von benötigter Strommenge und begrenzter Speichermöglichkeiten. Ein weiterer Baustein könne da Wasserstoff sein.
„Gerade im Flugverkehr kann Wasserstoff eine große Rolle für die Klimaneutralität spielen“, ergänzte der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol. Tilman Wilhelm von der NOW GmbH, die das Projekt begleitet hat, sagte: „Man muss mit Wasserstoff Geld verdienen können, er muss mit anderen Kraftstoffen mithalten können.“
Man müsse das Angebot fördern und dann dem Markt überlassen, was er daraus mache. Mit allein acht Biogasanlagen sei der Landkreis in der Biogasherstellung gut aufgestellt, erläuterte Martin Hellwig von der Spilett new technologies GmbH. Mit diesen Anlagen könne auch Wasserstoff produziert werden.
Sie seien dazu geeignet, pro Jahr 3.200 Tonnen des flüchtigen Gases herzustellen. Dieses Gas könnte zu einem deutlich geringeren Preis als an anderen Tankstellen üblich angeboten werden zu 5,33 Euro je Kilogramm statt 7,98 Euro).
Auch mit anderen Anlagen zur Herstellung erneuerbarer Energien – Windkraft, Photovoltaik und Biomasse – lässt sich Wasserstoff produzieren. Das bietet den Betreibern der Anlagen laut Abschlussbericht eine Perspektive, wenn die staatliche Förderung durch das EEG-Gesetz aus dem Jahr 2000 nach 20 Jahren ausläuft. Im Landkreis haben diese Anlagen das Potenzial für zusätzliche 1.755 Tonnen Wasserstoff pro Jahr.
Hellwig fasste die Aussagen zusammen: „Es kann also eine Wirtschaftlichkeit dargestellt werden, es gibt den politischen Willen und es ist technisch machbar.“
Die Idee sei, den Wasserstoffpreis und Mengen über Verträge festzulegen. „Preissicherheit und Mengensicherheit sorgen für Investitionssicherheit.“ Dieses Modell könne in der Region ausprobiert werden.
Bedarf an wasserstoff-betriebenen Fahrzeugen gebe es möglicherweise bei Kommunen, so Juliane Arriens vom Reiner Lemoine Institut. Diese Fahrzeuge müssen nach dem „Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge“ in Bezug auf emissionsarme und -freie PKW, Nutzfahrzeuge und Busse im ÖPNV Mindestziele erfüllen.
„Aber Wasserstoff kann nicht nur in Bezug auf Mobilität gedacht werden, sondern auch hinsichtlich der Energieversorgung der Industrie und im Bereich Wärme“, erklärte Arriens. Zudem könne er auch nicht nur per Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden, sondern auch aus Altreifen, Müll und Klärschlamm.
„Sie haben den Energiewendeprozess auf die Agenda gebracht“, sagte Dr. Justus Brans vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung zu den Teilnehmern des Projekts. Der ländliche Raum biete im Gegensatz zu Ballungsräumen deutlich höheres Potenzial für die Herstellung von Wasserstoff. Um ihn „grün“ zu machen, bedürfe es für den Herstellungsprozess des weiteren intensiven Ausbaus erneuerbarer Energien.
Eberhard Flammer, Präsident der IHK Lahn-Dill, hob die Bedeutung von Bildung hervor, auf die bei dem Projekt ein Schwerpunkt gelegt wurde: „Technologische Brüche sind immer auf Basis einer guten Bildung gemeistert worden.“ So wurde im Zuge von „HyStarter“ etwa ein Workshop vom Chemikum Marburg entwickelt, der auch mobil in Schulklassen und Betrieben durchgeführt werden kann.
Dabei zeigen die Mitarbeitenden beispielsweise an einem Modell, wie eine Wasserstoff-Brennstoffzelle funktioniert. Durch Wissensvermittlung soll die Akzeptanz in der Bevölkerung gesichert werden. Zudem hat das Chemikum das Konzept für ein Pixi-Buch entworfen.
Stefan Franke vom Fachdienst Klimaschutz und erneuerbare Energien des Landkreises sagte, zum Start einer „Wasserstoffbewegung“ habe man sich bereits mit den Landkreisen Gießen und Lahn-Dill zusammengetan. Auch weitere Landkreise – etwa der Vogelsbergkreis und Limburg-Weilburg – könnten noch mit einbezogen werden.
* pm: Stadt Marburg