„Autophagie“ von Zellen auf starrem Untergrund fördert Krebs-wachstum. Das hat ein Team aus der Marburger Medizin herausgefunden.
Bindegewebszellen verdauen vermehrt eigene Bestandteile, wenn das Gewebe versteift – ein Verhalten, das das Wachstum benachbarter Krebszellen fördert. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Marburger Hochschulmedizin in einer Studie, die das Wissenschaftsmagazin „PNAS“ online veröffentlicht.
Eine erhöhte Steifheit des Gewebes gilt als Kennzeichen von zahlreichen Krebsarten wie dem Bauchspeicheldrüsenkrebs und von anderen Erkrankungen. „Warum die Verhärtung des Gewebes dazu führt, dass sich eine Krebserkrankung verschlimmert, war bislang nicht gut verstanden“, erklärte Mitverfasser Prof. Dr. Matthias Lauth, der die Forschungsarbeit leitete. Die Klinische Forschungsgruppe „KFO325“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eröffnete ihm die Möglichkeit, wissenschaftliche Kompetenzen aus der molekularen Krebsmedizin, der medizinischen Mikrobiologie, der Elektronenmikroskopie und weiteren Bereichen der Marburger Hochschulmedizin zusammenzuführen, um die Wechselwirkung des Tumors mit dem umgebenden Bindegewebe zu studieren.
Bindegewebszellen üben auf die Krebsentwicklung einen starken Einfluss aus. Zum Beispiel versorgen sie Tumore mit Nährstoffen, die sie gewinnen, indem sie eigene Zellbestandteile abbauen; diesen Vorgang bezeichnen Fachleute als „Autophagie“.
Um zu untersuchen, wie starres Gewebe auf den Stoffwechsel der Zellen zurückwirkt, verwendete die Forschungsgruppe ein etabliertes Modellsystem. Dabei handelt es sich um Bindegewebszellen auf einem Untergrund mit unterschiedlicher Elastizität: „Ist der Untergrund weich, so entspricht das gesunden Bedingungen; ist er hingegen steif, so bildet dies krankhafte Bedingungen nach“, berichtete Erstautorin Anna Hupfer aus Lauths Arbeitsgruppe.
Aber wie beeinflusst die Zellmechanik den Stoffwechsel? Um das herauszufinden, stellte die Gruppe eine Reihe von Untersuchungen an, für die sie vielfältige Techniken nutzte.
Dabei hat sich gezeigt: Auf starrem Untergrund kommt es zu einem Umsteuern des Stoffwechsels. Im Inneren der Zellen finden sich dann vermehrt spezielle Bläschen, die verdautes Material enthalten.
Das Team studierte zudem die Effekte auf Krebszellen. Es fand heraus, dass Krebszellen ein verstärktes Wachstum aufweisen, wenn sie zusammen mit Bindegewebszellen kultiviert werden – jedoch nur, wenn das auf hartem Untergrund geschieht.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten darüber hinaus den molekularen Signalweg, der diesen Vorgängen zugrunde liegt; das Team hofft, dass sich daraus neue Angriffsstellen für Krebsmedikamente ergeben.
„Alles in allem werfen unsere Daten Licht auf eine neue Funktion, die der Zellmechanik bei der Umprogrammierung des Stoffwechsels zukommt“, fasste Lauth zusammen. „Der bloße Wechsel der mechanischen Gewebeeigenschaften reicht aus, um den Stoffwechsel von Bindegewebszellen so umzustellen, dass er Tumore fördert.“
Lauth forscht am Marburger Zentrum für Tumor- und Immunbiologie. Er leitet die Forschungsarbeit der Klinischen Forschungsgruppe 325, die soeben in die zweite Förderperiode startete, um die klinische Relevanz der Wechselwirkungen zwischen Tumor und Mikroumgebung beim Bauchspeicheldrüsenkrebs zu studieren. Krebsmedizin an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Patientenversorgung gehört zu den Forschungsschwerpunkten der Philipps-Universität.
Neben Lauths Arbeitsgruppe beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Instituten für Pathologie und für medizinische Mikrobiologie, der Biobank und der Elektronenmikroskopie an der Veröffentlichung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Krebshilfe förderten die Forschungsarbeit finanziell.
* pm: Philipps-Universität Marburg