Reißverschluss: Neue Methode verheißt neue Materialien

Ein chemischer „Reißverschluss“ ermöglicht ein „neues Graphen“. Ein Deutsch-finnisches Team aus den Materialwissenschaften entwickelt ein neuartiges Designermaterial.
Ein chemischer Reißverschluss macht es möglich, Molekülfäden zu Kohlenstoffnetzen zusammenzuschweißen, die sich von dem verwandten Werkstoff Graphen deutlich unterscheiden. Das zeigt ein internationales Forschungsteam unter Marburger Leitung im Wissenschaftsmagazin „Science“. Die neue Methode eröffnet Möglichkeiten für weitere maßgeschneiderte Materialien, erwarten die Autorinnen und Autoren um den Chemiker Prof. Dr. Michael Gottfried von der Philipps-Universität.
Die Ära der maßgeschneiderten Werkstoffe aus Kohlenstoff hat mit Nanoröhrchen, Fulleren, Graphen längst begonnen. „In Graphen ist jedes Kohlenstoffatom mit drei Nachbaratomen verbunden, so dass ein ebenes Wabenmuster aus sechseckigen Ringen entsteht“, erklärte Gottfried. „Obwohl bereits zahlreiche andere Muster mit größeren oder kleineren Ringen vorgeschlagen worden sind, war bisher unklar, ob es solche Materialien gibt und wie sie hergestellt werden könnten.“
„Die Eigenschaften können sehr unterschiedlich sein, auch wenn es sich immer um Kohlenstoff handelt“, ergänzte der finnische Physiker Prof. Dr. Peter Liljeroth, der zusammen mit Gottfried als Leitautor firmiert. „Entscheidend ist die Verknüpfung der Atome“ Die Gruppe erzeugte ein flaches zweidimensionales Netz, das aus vier-,
sechs- und achteckigen Ringen besteht. „Die Ringe sind in diesem sogenannten Biphenylen-Netzwerk völlig regelmäßig angeordnet“, erläuterte Gottfried. „Die besondere Struktur ist jedoch nicht schon in den Vorläufermolekülen angelegt, aus denen das Netz aufgebaut wird; vielmehr bilden sich die vier- und achteckigen Ringe erst, während das Netz geknüpft wird.“
Dazu entwickelte das Team eine neue Methode: Auf einer glatten Goldoberfläche werden Moleküle zunächst zu Ketten verknüpft, die sich der Länge nach nebeneinander aufreihen. Dann verbinden sich benachbarte Ketten wie die zwei Hälften eines Reißverschlusses, wobei sich Wasserstoff- und Fluor-Atome von den Ketten ablösen.
„Ein wichtiger Punkt dabei: Die Ketten liegen in zwei Varianten vor, die einander ähneln wie Bild und Spiegelbild, wie rechte und linke Hand“, legte Gottfried dar. Ketten derselben Form lagern sich geordnet aneinander, bevor die Verknüpfung beginnt. „Dies ist entscheidend, denn nur so entsteht die neuartige Kohlenstoffstruktur“, führte der Chemiker weiter aus: „Reagieren dagegen zwei Ketten unterschiedlicher Händigkeit, so entsteht das schon bekannte Graphen.“
Anschließend untersuchte die Forschungsgruppe mittels spektroskopischer Verfahren, welche Eigenschaften das Material aufweist. Dabei stieß sie auf einen fundamentalen Unterschied zum verwandten Graphen.
„Die Charakterisierung ergab, dass sich bereits extrem schmale Streifen des neuen Materials wie ein Metall verhalten, was bei Graphen nicht der Fall ist““, erläuterte der Erstautor Dr. Qitang Fan aus Gottfrieds Arbeitsgruppe. „Diese Streifen könnten daher als Nanodrähte in künftigen elektronischen Schaltkreisen aus Kohlenstoff eingesetzt werden“
ie Methode erscheint vielversprechend. „Unsere Reißverschlusstechnik ebnet den Weg, um neue Designermaterialien auf Kohlenstoffbasis zu entwickeln und ihre Eigenschaften zu erforschen“, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren aus den Ergebnissen.
Gottfried lehrt Physikalische Chemie an der Philipps-Universität. Er gehört außerdem dem Marburger Sonderforschungsbereich 1083 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an, der sich mit „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ befasst.
Liljeroth leitet die „Atomic Scale Physics“-Gruppe an der Universität Aalto in Finnland. Darüber hinaus beteiligte sich der Marburger Chemiker Prof. Dr. Ulrich Koert an der Forschungsarbeit. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Europäische Forschungsrat, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und weitere Förderorganisationen haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell gefördert.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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