Bei Krebs verhält sich der Proteinkomplex „Immunoproteasom“ widersprüchlich. Wie er wirkt, hängt von der Zellumgebung ab.
Ein- und derselbe Proteinkomplex ruft bei verschiedenen Krebsarten gegensätzliche Wirkungen hervor. Das hat eine Forschungsgruppe aus der Medizin herausgefunden, als sie den Proteinkomplex „Immunoproteasom“ studierte. Was die eine Krebsart hemmt, führt bei anderen Tumoren zu einem verstärkten Wachstum, je nach der zellulären Umgebung.
Das Team um den Marburger Immunologen Prof. Dr. Alexander Visekruna berichtet im Fachblatt „Cancer Immunology Research“ über seine Ergebnisse. Der Proteinkomplex „Proteasom“ erfüllt im Körper ganz unterschiedliche Aufgaben beispielsweise im Immunsystem. So trägt er dazu bei, dass Immunzellen möglichst gut erkennen, an welchen Stellen sie eindringende Krankheitserreger angreifen können.
„Der Immunoproteasom-Komplex beeinflusst aber auch Entzündungen, indem er die Moleküle steuert, die Entzündungen hervorrufen“, erklärte der Mediziner Visekruna als einer der Leitautoren. „Diese Moleküle führen dazu, dass Entzündungen andauern und chronisch werden, was in der Entstehung von Krebs münden kann.“
Die Gruppe um Visekruna erhob einen überraschenden Befund: Sie untersuchte bei zwei verschiedenen Krebsarten, wie sich das Fehlen des Proteinkomplexes auswirkt. Bei Darmkrebs führte es zu einer vollständigen Hemmung des Tumorwachstums, während es bei Hautkrebs eine Vergrößerung der Melanome hervorrief und Gegenmittel unwirksam machte.
Der Proteasom-Komplex besteht aus mehreren Untereinheiten. Das Team studierte Zellen aus menschlichen Hauttumoren, in denen es nach Vorstufen dieser Untereinheiten suchte. Das Ergebnis war unterschiedlich.
Liegen die Vorstufen in hoher Konzentration vor, so geht das mit einer besseren Überlebensrate der Hautkrebspatienten einher. „Proteasom kann somit bei dieser Tumorart als messbarer Hinweis auf eine gute Heilungschance angesehen werden“, resümierte die Medizinerin Hanna Leister. Sie ist eine weitere Mitverfasserin der Studie und verfertigt ihre Doktorarbeit in Visekrunas Arbeitsgruppe.
Auch Experimente im Tiermodell bestätigten die Befunde: Bei Mäusen ohne Proteasom-Untereinheiten wächst Hautkrebs schneller als bei Tieren mit solchen Proteinen. Proteasom hemmt also das Tumorwachstum.
Wie weitere Untersuchungen ergaben, ist die Immunantwort gegen Hautkrebs offenbar gestört, wenn Proteasom-Bestandteile fehlen. Doch bei einer anderen Krebsart wirkt Proteasom jedoch gerade umgekehrt, wie Koautor Dr. Maik Luu aus Visekrunas Arbeitsgruppe darlegte: „Wenn eine chronische Darmentzündung besteht, fördert Proteasom die Entstehung von Krebs.“
Wird der Proteinkomplex durch Medikamente gehemmt, so verhindert dies, dass Entzündungen zu Darmkrebserkrankungen führen. „Insgesamt hängt die Rolle der Immunoproteasomen während der Entwicklung von Krebs von der jeweiligen Umgebung des Tumors ab“, schreiben die Autorinnen und Autoren.
Neben Visekrunas Arbeitsgruppe und weiteren Forschern der Universität Marburg beteiligten sich Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin sowie von der Universität Mainz an der Studie. Die „Von-Behring-Röntgen-Stiftung“, die FAZIT-Stiftung, das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Stiftung Kempkes PE und das nationale US-Gesundheitsinstitut NIH förderten die Beteiligten finanziell.
* pm: Philipps-Universität Marburg