Projekt ausgearbeitet: Expedition Grundeinkommen für Marburg

„Dem BGE liegt ein völlig anderes Menschenbild zugrunde“, erklärt Sönke Preck. Darum engagiert sich der Marburger für das „Bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE).
Den Kommunalwahlkampf möchte er für das Projekt „Expedition Grundeinkommen“ nutzen. Einem Teil der Marburger Bevölkerung soll es versuchsweise für 3 Jahre den Bezug eines bedingungslosen Grundeinkommens in Form der negativen Einkommensteuer ermöglichen. Der Bezug wird dabei nicht an spezifische Voraussetzungen geknüpft und mit Sanktionen verbunden.
Bei der „Expedition Grundeinkommen“ handelt es sich um einen staatlich geförderten – wissenschaftlich begleiteten – dreijährigen Modellversuch, der bundesweit in verschiedenen Kommunen wahrscheinlich ab 2023 starten soll. Gegenwärtig wird in allen Städten und Gemeinden das Interesse der Einwohnerschaft abgerufen. Daran sollte sich nach Precks Auffassung auch die Universitätsstadt Marburg beteiligen.
In Marburg sollen erst einmal mindestens 800 Befürworter eines solchen Modellversuchs zusammen kommen, um ein Bürgerbegehren starten zu können. „Innerhalb von zwei Wochen ist immerhin schon die 2-Prozent-Marke erreicht worden, aber bisher ist das Projekt noch viel zu wenig bekannt“, erklärt Preck. Er ist einer gut 100 Marburgerinnen und Marburger, die sich für dieses Vorhaben engagieren.
Die Studie soll mit wissenschaftlichen Methoden, die an den Universitäten von Freiburg und Köln und am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern entwickelt worden sind, eine gesunde Datenbasis für Diskussionen und Überlegungen zur Einführung eines flächendeckenden bedingungslosen Grundeinkommens beisteuern. In seinem Umfang und Studiendesign ist dieser Feldversuch bisher weltweit einmalig und wird von Fachleuten mit Spannung erwartet.
„Auch die Stadt Marburg könnte von den direkten Erfahrungen ganz sicher öffentlichkeitswirksam profitieren und neue Impulse für die Entwicklung zukunftsorientierter politischer Strategien und Konzepte gewinnen“, meint Preck. „Im Gegenzug käme auf die Kommune eine Investition von etwa 10 Euro pro Einwohner und Jahr zu.“
Vorgesehen ist, dass etwa jeder tausendste Einwohner Marburgs in einem repräsentativ ausgewählten Bevölkerungsquerschnitt das Grundeinkommen 3 Jahre lang erhalten würde. Eine ebenso große Kontrollgruppe wird ebenfalls wissenschaftlich über diesen Zeitraum begleitet. „Man wird sicherlich durch die Studie auch erste Einblicke in die Reduzierung bestimmter Ausgabenfelder erhalten, etwa durch höheres ehrenamtliches Engagement, reduzierte Gesundheitsausgaben oder durch weniger Gewalt und Vandalismus“, erhofft sich Preck.
In dieser Phase sei es aber erst einmal wichtig, 800 Anmeldungen für Marburg zusammen zu bekommen. Auch eine Unterstützung durch den künftigen Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung (StVV) würde den Weg zur Durchführung erheblich vereinfachen. Aus diesem Grund hat Preck alle Kandidierenden für das Amt der Oberbürgermeisterin oder des Oberbürgermeisters angeschrieben.
„Alle, die mir geantwortet haben, waren erstaunlich offen dafür“, berichtet Preck. „Oft kamen aber Fragen nach der Finanzierbarkeit.“
Gegenfinanziert würde das BGE einerseits durch Einsparungen bei der Sozialverwaltung und andererseits durch ein erhöhtes Steueraufkommen aufgrund der steigenden Kaufkraft gerade sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Hinzu käme die Notwendigkeit einer höheren Besteuerung von finanziellem Reichtum. Schließlich könnte sich Preck zur Finanzierung des Modellversuchs auch eine „kommunale Aufwandssteuer“ von 10 Euro pro Jahr vorstellen, wie sie nach hessischem Landesrecht zulässig sei.
Gegenüber stehe diesen Kosten ein erheblich größerer ideeller Reichtum der Gesamtbevölkerung. Niemand müsste mehr um seine wirtschaftlichen Grundlagen bangen, wenn er ein BGE bezöge.
Preck ist davon überzeugt, dass auch die Begünstigten eines BGE weiterhin arbeiten, da er Arbeit als eine Ausprägung menschlicher Selbstverwirklichungsbedürfnisse ansieht. Allerdings wäre Arbeit dann mehr vor dem Hintergrund der jeweiligen Arbeitsbedingungen und möglicher zeitlicher Begrenzung zu betrachten, wenn ein BGE beispielsweise 1.200 Euro monatlich garantieren würde.
„Dadurch würde der Druck zu technischer und gesellschaftlicher Innovation steigen“, vermutet Preck. „Andererseits würden elementare Menschenrechte, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit die Menschenwürde endlich umgesetzt.“
Letztlich hofft Preck auf eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wie die Menschen im Zeitalter des Klimawandels leben wollen. „Bereits in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig ein garantiertes Grundeinkommen ohne bürokratische Hürden gerade in Katastrophen- und Krisensituationen ist“, erklärt Preck. „Der Generalverdacht auf missbräuchlichen Leistungsbezug würde dann zurücktreten hinter das Generalvertrauen der Gesellschaft auf die Bereitschaft aller Menschen, sich nach ihren individuellen Möglichkeiten zum Wohle aller einzubringen.“

* Franz-Josef Hanke

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