Entflammt: Feridun Zaimoglu las aus Luther-Roman „Evangelio“

Trotz sommerlichen Wetters war der Historische Saal im Rathaus gut gefüllt. Im Rahmen des Programms zum Luther-Jahr las Feridun Zaimoglu dort am Dienstag (20. Juni) aus seinem neuen Roman „Evangelio“.
Aus der Sicht eines katholischen Landsknechts beschreibt er das Leben des Reformators Martin Luther auf der Wartburg. Dabei bemüht sich der Autor erfolgreich, die Sprache Luthers nachzuahmen und zugleich eine Verständlichkeit für heutige Leser zu erreichen.
„Die Luther-Bibel, das sind Worte, die sind kräftiger und heftiger als der härteste Gangsta-Rap“, erklärte Zaimoglu seine Begeisterung für die Hauptperson seines neuesten Werks. Für den Muslim ist Luther neben Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen der wichtigste Einflussgeber auf die deutsche Sprache und Kultur.
Zaimoglu versteht sich als Deutscher. Geboren wurde er 1964 in der Türkei. Doch seit 1965 lebt er in Deutschland und setzt sich seit seiner Jugend mit dem Christentum auseinander.
Gerne schlüpfe er in seinen Romanen in Figuren, die ganz anders sind als er selbst, erklärte der Muslim. Danach recherchiere er dann sehr intensiv, um sich in sie einfühlen zu können.
Während der Arbeit an „Evangelio“ sei er wie Luther um 3 Uhr aufgestanden. Wie Luther habe er sich „eine Wampe angefressen“. Im Vorfeld habe er mit einem Freund die Wartburg in Eisenach besucht.
Herausgekommen ist dabei ein literarisches Meisterwerk. Mit großer Sprachgewalt beschreibt Zaimoglu das Leben zur Zeit Luthers. Die ständige Angst vor dem Teufel gehört ebenso dazu wie das Gefühl des Ausgeliefert-Seins an höhere Mächte.
Mit seiner sonoren Stimme las Zaimoglu drei Stellen aus seinem Buch vor. Dabei drückte er die Kraft und Macht der Empfindungen des Landsknechts ebenso stark aus wie die Verzweiflung Luthers an seinem Glauben oder die Angst mancher Mitmenschen vor diesem „Ketzer“.
Mitveranstalter Manfred Paulsen vom Verein „Strömungen“ kündigte an, dass „Evangelio“ im Herbst auch als Hörbuch erscheinen werde. Lesen solle es nach Zaimoglus Angaben der Schauspieler Thomas Thieme. Einige Anwesende fanden jedoch, niemand könne die Spannung beim Vorlesen besser ausdrücken als der Autor selbst.
Jedenfalls fesselte Zaimoglu mit seinem Vortrag ebenso wie mit dem Inahlt das Publikum über gut eineinhalb Stunden hinweg. Ganz nebenbei schilderte er seine zurückgezogene Arbeitsweise ohne Fernseher, Radio und Tageszeitung. Am Ende erhielt der Schriftsteller verdientermaßen einen langanhaltenden Applaus.

* Franz-Josef Hanke

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