Videoüberwachung auf Knopfdruck: Ungewöhnliches Sicherheitskonzept für den Jägertunnel

Mehr Sicherheit rund um den Jägertunnel ist laut Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies das Ziel eines Pakets von Maßnahmen, das der Magistrat verabschiedet hat. Zentraler Punkt ist die Videoüberwachung per Knopfdruck.
Der Magistrat hat das Projekt Videoüberwachung auf Knopfdruck für den Jägertunnel im Hinblick auf den Datenschutz rechtlich prüfen lassen. Das Ergebnis aus Wiesbaden liegt jetzt vor: Der Hessische Datenschutzbeauftragte gibt grünes Licht.
Im vorliegenden Fall ist die Videoüberwachung demnach rechtmäßig. Sie ist nämlich keine Einzelmaßnahme, sondern eingebettet in ein Gesamtkonzept der Stadt zur Verbesserung der Situation vor Ort.
Im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Videokontrolle und nach der Wahrung der Privatsphäre setzt die Stadt auf eine innovative Lösung. Anstatt durchgängig im Aufnahme-Modus zu sein, können die Kameras von den Passantinnen und Passanten bei Bedarf eingeschaltet werden. Wer den Tunnel betritt, wird durch ein Lichtsignal über die laufende Videoüberwachung informiert.
„Von der Videoüberwachung per Knopfdruck versprechen wir uns in dem 80 Meter langen Tunnel ein Mehr an Prävention und Sicherheit“, erklärte Spies. Ziele seien die Vorbeugung durch Abschreckung, die schnellere Hilfe für Betroffene im Ernstfall sowie eine zuverlässige Identifizierung von Straftätern durch die Ermittlungsbehörden.
Die Aufzeichnungen der Kameras werden direkt an die Zentrale Leitstelle der Polizei übertragen und höchstens 48 Stunden gespeichert. Die Leitstelle ist rund um die Uhr besetzt. Im Notfall schaltet der Diensthabende dort die Polizei ein.
Einschaltmöglichkeiten per Knopfdruck sind an den Eingängen sowie im Tunnel im Abstand von jeweils zehn Metern vorgesehen. Damit soll sichergestellt werden, dass Passantinnen und Passanten auch noch auf eine Gefahrensituation reagieren können, wenn sie sich bereits im Durchgang befinden.
Die gesamte Anlage kostet 23.000 Euro und wird laut Magistrat aus dem laufenden Haushalt 2017 finanziert. Läuft technisch alles nach Plan, könnte die Anlage binnen sechs Wochen installiert sein.
Zusätzlich zur Videoüberwachung plant die Stadt, eine Gegensprechanlage im Jägertunnel zu installieren, damit Betroffene im Ernstfall direkt mit der Leitstelle sprechen können. Die Zustimmung des Hessischen Datenschutzbeauftragten dafür steht noch aus.
Die Videoüberwachung ist eingebunden in ein umfassendes Konzept der Stadt, um die Sicherheit und das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit erhielt die Debatte um Angsträume in Marburg durch den schweren Raubüberfall auf eine Studentin, die im September 2016 im Jägertunnel sexuell missbraucht wurde, sowie einen Exhibitionisten, der Mitte Mai 2017 eine 28-jährige Frau an gleicher Stelle sexuell belästigte.
Der Jägertunnel führt etwa 200 Meter nördlich des Hauptbahnhofs zwischen Neuer und Alter Kasseler Straße unter den Gleisen hindurch. Insbesondere für die Bevölkerung im Waldtal und im Ortenberg ist er ein wichtiger Zugang zu Bahnhof und Innenstadt. Außerdem ist er Schulweg zur Geschwister-Scholl-Schule und zu anderen Schulen der Stadt.
Seit Februar befasst sich eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung mit der Umgestaltung der Situation am Jägertunnel unter kriminalpräventiven Gesichtspunkten. Beteiligt sind die Fachdienste Gefahrenabwehr, Stadtplanung und Denkmalschutz, Hochbau, Klimaschutz und Stadtgrün sowie das Gleichberechtigungsreferat, die Datenschutzbeauftragte und Sozialarbeiter des St.-Martin-Hauses.
Vertragliche Vereinbarungen zur langfristigen grundlegenden Umgestaltung und Aufwertung des Tunnelumfelds gibt es zudem mit dem Investor, der an der Neuen Kasseler Straße Wohnanlagen baut. Die Umsetzung der Maßnahmen hängt wesentlich von der Fertigstellung der laufenden Baumaßnahmen in der Neuen Kasseler Straße ab.
Unabhängig davon sieht die Stadt die Notwendigkeit für kurzfristige Verbesserungen der Situation am Jägertunnel. Neben der Videoüberwachung sollen die Beleuchtung im Tunnel und auf beiden Zuwegen optimiert sowie zusätzliche und größere Spiegel angebracht werden.
Vorhandene Hecken, die als Verstecke für mögliche Täter dienen könnten, hat der Fachdienst Klimaschutz und Stadtgrün bereits entfernt und durch bodennahe Bepflanzung ersetzt. Damit der Mauervorsprung am Tunneleingang in Richtung Alte Kasseler Straße nicht als Täterversteck genutzt werden kann, soll er abgerundet und umzäunt werden.
Schließlich soll auch der bisherige Reinigungsturnus – einmal pro Woche maschinell, zwei Mal pro Woche per Hand – optimiert werden. Der Dienstleistungsbetrieb der Stadt Marburg (DBM) wird den Zustand des Tunnels künftig täglich kontrollieren und bei Bedarf kurzfristig reinigen. Der generellen Aufwertung des Jägertunnels dient auch die Überlegung, eine begrenzte Fläche mit Graffiti von Kindern und Jugendlichen des Waldtals oder aus anderen Stadtteilen zu gestalten.

* pm: Stadt Marburg

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