Wohnung retten: Kalte Räumung durch Vermieter im Steinweg

Unbeheizte Räume im Winter sind eine bekannte Methode zum Rausmobben von Mietern. In der Marburger Oberstadt hat sie in einem Fall aber nicht alle Bewohner vertrieben.
„Das ist hier mein Zuhause“, sagt Monika Janke. „Eine vergleichbar günstige Bleibe in der Kernstadt werde ich nicht so leicht finden.“
Bis Sommer 2018 beherbergte das Haus „Steinweg 4“ die „Marburger Filmkunsttheater“. Bis November 2015 wohnten noch acht Mieterinnen und Mieter in dem Haus am oberen Ende des Steinwegs. Sieben Zimmer standen bereits leer.
Übrig geblieben sind im unbeheizten Teil des Hauptgebäudes nur noch zwei Mieterinnen. Für leerstehenden Wohnraum suchten die Hauseigentümer niemals Nachmieter.
Als „unzulässige Selbstjustiz“ und „kalte Räumung“ hat ein Urteil des Amtsgerichts Marburg vom 22. Februar 2019 das Verhalten der Vermieter bezeichnet. Wiederholt wurde die Deutsche Treuhand Immobilienverwertung (DTI) dazu verpflichtet, den Öltank zu befüllen und im Winter für Wärme in den vermieteten Räumen zu sorgen. Geschehen ist das jedoch immer erst, wenn die Hauseigentümer durch Eilanträge richtig Druck bekommen haben.
Die Gesellschaft möchte das Haus am Übergang vom Steinweg zur Wettergasse gerne gewinnbringend verkaufen. Vermutlich möchte der Kaufinteressent es jedoch nur übernehmen, wenn keine Mieter mehr darin wohnen.
Eine gütliche Einigung der Mieterinnen mit ihren bisherigen Vermietern ist nach dem menschenverachtenden Vorgehen der Eigentümer<(/a> jedoch kaum mehr möglich. Im November 2015 startete die DTI „Baumaßnahmen“, während noch acht Mieter im Haus lebten.
„Die Baumaßnahmen dauerten zwei Wochen lang und beschränkten sich darauf, ein frisch gefliestes Bad mit Toilette zu zertrümmern und Wände in Zimmern und Fluren zu zerschlagen“, schrieb Rechtsanwalt Gunther Specht am 23. Mai 2019 ans Landgericht Marburg. „Durch Lärm, Baustaub und ungesicherte Stromleitungen schaffte es die Beklagte, weitere Mieter zum Auszug zu bewegen. Seit November 2015 fanden dann keinerlei weitere Baumaßnahmen mehr statt. Die geräumten Zimmer wurden von Arbeitern der Beklagten in einen verheerenden Zustand gebracht und sind in diesem Zustand unbewohnbar.“
Vier Winter mussten die Mieter immer wieder mal frieren. Selbst auf Eilanträge reagierte die DTI erst mit zwei Wochen bis zwei Monaten Verspätung.
Ein Bewohner war im Januar 2017 verstorben. Dass er Opfer seiner Furcht vor dem Wohnungsverlust und Mobbing durch Kälte geworden sein könnte, darf niemand behaupten.
Statt – wie vom Gericht wieder einmal verfügt – den Öltank zu befüllen, stellte die DTI ihrer Mieterin Janke am Abend vor dem Verhandlungstermin am 15. Februar 2019 einen elektrischen Ölradiator vor die Tür. Die Bezieherin von Sozialleistungen hätte den Strom dafür jedoch selber bezahlen müssen, während die Heizkosten zum Umfang der erstatteten Mietkosten gehört hätte.
Die letzte – ebenfalls an die in den Wintermonaten meist abgestellte Heizanlage angeschlossene – Mieterin außer der Klägerin will nun auch ausziehen, weil sie nicht mehr frieren möchte. Damit hätte dann auch in diesem Fall Dreistigkeit gegen Gerechtigkeit gesiegt. Nur Janke will dem Druck auch weiterhin nicht weichen.
Für Mittwoch (28. August) hat das Amtsgericht Marburg eine Mediation anberaumt. Janke fragt sich allerdings, was die DTI ihr überhaupt anbieten kann, damit sie die Oberstadt nach elf Jahren im Steinweg 4 verlässt.

* Franz-Josef Hanke

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