Gefährliche Trojaner: Marburger zieht mit vor das Bundesverfassungsgericht

„Als Journalist und Bürgerrechtler bange ich um meine Informationsquellen“, erklärte Franz-Josef Hanke. Der Marburger HU-Regionalvorsitzende ist einer von sieben Beschwerdeführern gegen HSOG und VSG.
Gemeinsam mit der Humanistischen Union (HU), den Datenschützern Rhein Main (dDRM) und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) am Dienstag (2. Juli) in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Hessische Polizeigesetz und Verfassungsschutzgesetz eingelegt. Diese Beschwerde richtet sich gegen die Ausweitung der Überwachungsbefugnisse für Polizei und Verfassungsschutz. „Mit dem Hessentrojaner und der Big-Data-Analysesoftware Hessendata liegt Hessen beim Angriff auf die Freiheitsrechte im Ländervergleich weit vorne“ sagte die Juristin Sarah Lincolnvon der GFF.
Mit der Analysesoftware Hessendata des US-Unternehmens Palantir kann die Polizei Menschen und ihr Umfeld vollständig durchleuchten. Hessendata vereint Daten aus zahlreichen Polizeidatenbanken. Die Software wertet aber auch externe Daten, zum Beispiel aus sozialen Medien, aus.
„Wer in den Fokus einer automatischen Datenanalyse gerät, wird schnell zum gläsernen Menschen“, sagte Lincoln. Der Einsatz des sogenannten Hessentrojaners gefährdet die IT-Sicherheit aller Bürger*innen. Die Polizei kann IT-Sicherheitslücken geheim halten und sie für Überwachungsmaßnahmen ausnutzen, statt darauf hinzuwirken, dass sie schnellstmöglich vom Hersteller geschlossen werden. Dieselben Sicherheitslücken können dann aber auch Cyberkriminelle und ausländische Geheimdienste für Cyberangriffe nutzen.
„Der geringe potenzielle Gewinn an Sicherheit durch den sogenannten Hessentrojaner steht in einem extremen Missverhältnis zur massiven Gefährdung von unzähligen IT-Systemen weltweit „, führt Roman Peters von dieDatenschützer Rhein Main aus.
„Ich kann künftig nicht mehr darauf hoffen, dass mir von Überwachung bedrohte Menschen überhaupt noch etwas über Telefon oder Email anvertrauen, erklärte Hanke. Neben dem HU-Regionalvorsitzenden sind unter den Beschwerdeführern auch die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Klaus Landefeld als Vorstandsmitglied des Verbands der Internetwirtschaft eco und DE-CIX Aufsichtsrat sowie die ehemalige Lehrerin Silvia Gingold. Die Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold steht die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements seit ihrer Jugend unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Das neue Verfassungsschutzgesetz sieht unter anderem den weitreichenden Einsatz von verdeckten Ermittlern, die Ortung von Mobilfunkgeräten und die Überwachung von Reiserouten vor. Einmal erhobene Daten kann der Verfassungsschutz nahezu voraussetzungslos an andere öffentliche Stellen und an ausländische Regierungen weiterleiten. Betroffene selbst haben nur sehr eingeschränkte Auskunftsrechte darüber, welche Daten über sie erhoben wurden.
Für die angegriffenen Überwachungsbefugnisse hat die Hessische Landesregierung inzwischen bereits zweimal den „Big Brother Award“ erhalten, mit dem jährlich Datensünder in Wirtschaft und Politik prämiert werden. „Es gibt keine Hintertüren, die nur für die Guten offen sind“, fasste Hanke die Kritik an den Trojanern zusammen.

* pm: Gesellschaft für Freiheitsrechte

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