Am 74. Jahrestag der Deportation von 78 Sinti aus Marburg und dem Landkreis haben am Donnerstag (23. März) rund 30 Marburger der Opfer des NS-Regimes gedacht. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies mahnte an, sich auch heute Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen entgegenzustellen.
„Die Verfolgung und Entrechtung der Sinti und Roma hat eine Jahrhunderte lange Tradition, die ihre traurige Spitze in den Verbrechen des Nationalsozialismus fand“, erklärte Spies bei der Gedenkveranstaltung vor dem ehemaligen Landratsamt an der Barfüßerstraße. Von dort aus wurden am 23. März 1943 78 Sinti mit Gewehren und Hunden zum Bahnhof getrieben und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.
„Nicht heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit und mit dem Vorsatz der Ermordung“ sei das geschehen, machte Rinaldo Strauß deutlich. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands der Sinti und Roma Hessen. Sein Vater war einer der 78.
„1945 wurde er aus dem KZ befreit und kehrte in seine Heimat zurück“, berichtete Strauß. Nach Kriegsende habe es lange keine „Wiedergutmachung oder zumindest Anerkennung“ für das Leiden der Sinti und Roma im Nationalsozialismus gegeben. Erst 1982 wurde den Opfern durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt eine öffentliche Anerkennung zuteil.
„Es bedurfte und bedarf des starken bürgerschaftlichen Engagements der Sinti und Roma, um Aufmerksamkeit für dieses unfassbare Leid zu schaffen“, erläuterte Strauß. Heute erinnern am Marburger Hauptbahnhof Gedenkbänder mit den 78 Namen der Deportierten an den Gleisen 5 und 8 an das Unrecht.
„Rassistische Vorurteile und Antiziganismus halten sich leider bis heute“, erklärte auch Oberbürgermeister Spies. Gerade in Zeiten, in denen Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile sich wieder öffentlich hervortrauen, sei es wichtig, Widerstand zu leisten. „Den Opfern gedenken und den heute Lebenden Solidarität zeigen, das bleibt unsere Aufgabe“, betonte Spies.
Dr. Udo Engbring-Romang berichtete in Stellvertretung für Prof. Wilhelm Solms vo Erfolg einer Benefizveranstaltung aus dem vergangenen Jahr: 2018 sollen 75 Jahre nach der Deportation ein bis zwei Jugendliche Sinti über ein Stipendium der Hildegard-Lagrenne-Stiftung gefördert werden.
Gemeinsam gedachten die rund 30 Anwesenden in einer Schweigeminute der Opfer. Neben Bürgermeister Dr. Franz Kahle, ehrenamtlichen Magistratsmitgliedern, Kreistagsvorsitzendem Detlef Ruffert sowie Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverordnetenversammlung (StVV) nahmen auch Angehörige und Marburgs Ehrenbürgerin Schwester Edith an der Gedenkveranstaltung teil.
* pm: Stadt Marburg