„Willkommen, bienvenu, welcome!“ Mehrsprachig beginnt der fröhliche Tanz auf dem Vulkan im „KitKatKlub“. Am Ende blickt das Publikum jedoch in einen Abgrund von mörderischem Rassismus.
Mit 13 Schauspielerinnen und Schauspielern bringt Intendantin Carola Unser vom Hessischen Landestheater Marburg (HLTM) das Musical „Cabaret“ von Joe Masteroff mit der Musik von John Kander und Gesangstexten von Fred EBB im Erwin-Piscator-Haus auf die Bühne. Fünf Musiker sorgen dabei unter der Leitung von Christian Keul für eine lebendige Interpretation der weltbekannten Hits dieses Bühnenklassikers aus dem Jahr 1966. Die Premiere endete am Samstag (23. Februar) mit langanhaltendem begeistertem Applaus.
Im Jahr 1929 reist der Schriftsteller Cliff Bradshaw nach Berlin. Der US-Amerikaner hofft, dort Stoff für seinen zweiten Roman zu finden. Bereits auf der Reise lernt er Ernst Ludwig kennen, der ihm die preisgünstige Pension einer älteren unverheirateten Dame vermittelt.
Mit der Vermietung von Zimmern hält sich Fräulein Schneider finanziell über Wasser. Während ihre Mieterin Fräulein Kost immer wieder wechselnde Männer über Nacht zu Besuch hat, hat der Obsthändler Herr Schulz nur Augen für die Zimmerwirtin.
Bradshaw hingegen hat nur Augen für die britische Sängerin Sally Bowles. Im „KitKatKlub“ hat er die attraktive Tänzerin kennengelernt Bald verlieben sich die beiden ineinander.
Schneider und Schulz träumen ebenfalls von der Heirat. Doch auf ihrer Verlobungsfeier stört der Nazi Ernst Ludwig die ausgelassene Stimmung. Aus Sorge um ihre materielle Zukunft zieht die Pensionsbesitzerin ihr Eheversprechen mit dem jüdischen Obsthängler schließlich zurück.
Resigniert zieht Schulz in ein anderes Zimmer am Nollendorfplatz um. Doch Bradshaws Rat, Deutschland zu verlassen, folgt er nicht. Was der Schriftsteller in Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ gelesen hatte, das werde in Deutschland niemals wahr werden, beschwichtigt der Jude den Amerikaner.
Vom heiter beschwingten Beginn in dem frivolen Nachtclub und ausgelassenen Partys im Berlin der „goldenen 20er Jahre“ und der „verrückten“ Liebe zweiter unorthodoxer Paare führt das Musical das Publikum allmählich an die Bedrohung durch den nationalsozialistischen Terror und schließlich ihren Rassenwahn heran. Dabei entfaltet sich hinter der fröhlichen Fassade ganz allmählich die ernste Gefahr und zwischen den heiteren Songs nach und nach immer tiefgründigere Dialoge.
Ohrwürmer wie „Willkommen“, „If You could see her through my Eyes“ und „Heirat“ und „Money makes the World go round“ oder „Two Ladies“ mit der berühmten Aussage „Life is a Cabaret“ veranlassten das Premierenpublikum immer wieder zu frenetischem Zwischenapplaus. Alle Darsteller bewiesen auf der Bühne ihr Talent, auch wenn Schauspielerinnen und Schauspieler sangen oder tanzten. Besonders überzeugend waren dabei Ben Knop als Conférencier, Jorien Gradenwitz als Sally Bowles, Christian Simon als Clifford Bradshaw, Chris Nonnast als Fräulein Schneider und Sven Brorman als Herr Schulz.
Die lasziv-erotische Wirkung der Tänzerinnen hatte Maskenbildner Jörn Fröhlich dadurch verfremdet, dass sie Bärte trugen. Originell war auch eine Szene, wo der Obsthändler Schulz seiner Angebeteten eine Ananas schenkt und die Tanzenden ringsherum mit Federfächern ebenfalls solch eine Frucht formen. Für die gelungene Choreografie zeichnete Wara Cajias verantwortlich.
Letztlich ist der Regisseurin auf zugleich erfrischende und beeindruckende Weise gelungen, was sie in einem Vorgespräch zur Premiere erklärt hatte. Sie wolle Vielfalt und Demokratie mit diesem Stück feiern, hatte Unser angekündigt. Das sei gerade in Zeiten wie diesen wichtig, wo Parallelen zum Ende der 20er Jahre unübersehbar seien.
* Franz-Josef Hanke