Was bislang als unerreichbar galt, ist Prof. Dr. Stefanie Dehnen und ihrem Mitarbeiter Dr. Robert J. Wilson jetzt gelungen: Die beiden haben eine Verbindung hergestellt, die 4 Germanium- und 14 Bismut-Atome in einem Molekülverband enthält.
Damit handelt es sich um das größte bekannte Käfigmolekül mit direkt aneinander gebundenen Bismut-Atomen. Das Team berichtet über seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“. Die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsjournals erscheint zur Chemiedozententagung der Gesellschaft Deutscher Chemiker, die von Montag (13. März) bis Mittwoch (15. März) in Marburg stattfindet.
Bismut ist das schwerste Metall, das praktisch nicht radioaktiv ist. „Anders als seine direkten Nachbarn im Periodensystem der Elemente – Blei und Polonium – ist es völlig ungiftig“, sagt Dehnen; „in Form bestimmter Salze findet es sogar Anwendung in der Medizin.“ In elementarer Form kommt es als Mineral vor. Chemikerinnen und Chemiker stellt es jedoch vor Probleme, wie Dehnen darlegt: „Es ist nicht leicht, Bismut-Atome in direkte Metall-Metall-Bindungen zu zwingen. Bis vor kurzem wurde die Bildung von vielatomigen Bismut-Käfigen als derart ungünstig angesehen, dass man davon ausging, mit diesem Element keine großen und komplexen Strukturen realisieren zu können.“
In ihrer aktuellen Publikation beschreiben Dehnen und Wilson, wie die Synthese des neuen Moleküls vonstatten geht. Schmilzt man die chemischen Elemente Kalium, Germanium und Bismut im Verhältnis 2 zu 1 zu 1 zusammen und extrahiert den dabei entstehenden Feststoff mit dem Lösungsmittel Ethylendiamin, so ergibt sich zunächst eine tiefblaue Lösung.
„Mit der Zeit ändert sich die Farbe der Lösung jedoch von Blau über Grün nach Rotbraun, wobei dunkelrote Nadeln kristallisieren“, berichtete Wilson. Diese Kristallnadeln enthalten die neuartige Bismut-Verbindung. Dieses Salz enthält ein Molekül der Summenformel (Ge4Bi14)4-.
„Trotz der langen Reaktionszeit ist die Reaktion reproduzierbar“, betonten Dehnen und Wilson: „Die Produktbildung kann bei Raumtemperatur nach etwa 60 Tagen beobachtet werden, bei 5 Grad Celsius nach zirka 90 Tagen.“
Das rekordverdächtige Molekül besteht aus zwei Bismut-Käfigen, die je sieben Atome besitzen. Sie teilen sich eine gemeinsame Kante, die aus vier Germanium-Atomen besteht.
„Das Gesamtgebilde ist negativ geladen“, legte Dehnen dar. „Es handelt sich somit um das Anion der salzartigen Titelverbindung.“
In der „Cambridge Structural Database“ als der wichtigsten Strukturdatenbank für entsprechende Stoffe findet sich kein Molekül mit der gleichen Gesamtstruktur.
Worauf ist die strikte Trennung der Elementsorten in der Verbindung zurückzuführen? „In verwandten Verbindungen mit anderen Elementkombinationen war bisher immer eine möglichst gleichmäßige Verteilung verschiedener Atomsorten in den Molekülen präferiert worden“, führte Dehnen aus.
Das Forschungsteam vermutet, dass die Entmischung auf den extrem unterschiedlich großen Atomradien beruht. Dieses Phänomen ist von makroskopischen Metalllegierungen bekannt. Hier wurde es auf molekularer Skala nachvollzogen.
Wie genau sich das große Bismut-Polyanion bildet, haben die Autoren noch nicht herausgefunden. „Dies wird erst möglich sein, wenn man die Zwischenstufen nachweisen kann, was in diesem Fall aber besonders schwierig ist“, schrieben Dehnen und Wilson.
Dehnen lehrt Anorganische Chemie an der Philipps-Universität. Ihre Arbeitsgruppe am Fachbereich Chemie beschäftigt sich mit der Synthese und Charakterisierung von anorganischen und metallorganischen Multikomponenten-Clusterverbindungen.
Auch in der breitenwirksamen Vermittlung naturwissenschaftlicher Fragestellungen ist die Hochschullehrerin aktiv: Dehnen ist Direktorin des Mitmachlabors Chemikum Marburg. Die aktuelle Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
* pm: Philipps-Universität Marburg