Manchmal bin ich richtig froh, dass ich in Marburg lebe. Am Freitag (7. September) war ich mit diesem Gefühl garantiert nicht allein: #Wirsindmehr!
Gut 7.500 Menschen zeigten Haltung gegen Gewalt und Rechtsextremismus. In einer unüberschaubar langen Demonstration zogen sie am Freitagabend durch Marburg. Der donnernde Beifall für die Reden gegen Rechtsextremismus und für Humanität sowie die tausendstimmigen Rufe „Wir sind mehr“ machten Mut, dass die Rechtspopulisten nicht siegen werden.
Gleich nach der Demonstration warnte der langjährige Oberbürgermeister Egon Vaupel beim „Politischen Salon“ im Rathaus aber vor „dem Volkswillen“ und dem angeblich „gesunden volksempfinden“. Dabei ist vor allem die Frage wichtig, was mit „gesund“ gemeint ist. Soll „das Recht des Stärkeren“ gesund sein oder das angbeliche „Heimatrecht“ oder sind es Humanität und Empathie für Schwächere?
In diesem Punkt ist Marburg eine kleine Insel der Seligen in einem riesigen Ozean des brutalen Egoismus. Mit einer Behinderung leben die Menschen in Marburg auch dann, wenn sie selber keine haben. Empathie mag in dieser Stadt in der Luft liegen wie anderswo der scharfe Wind eisiger Gefühlskälte.
Dennoch müssen Marburgs Menschen achtgeben, dass sie sich ihr Klima bewahren und die Demokratie ebenso schützen wie die Humanität. Minderheitenschutz und Respekt gehören dazu ebenso wie eine klare Haltung. Die große Demonstration am Freitagabend hat all das in beeindruckender Weise gezeigt.
Angesichts des politischen Klimas empfinde ich Marburg als meine „Heimat“. Diese Stadt ist der Platz, wo ich mich wohlfühle, weil hier viele Menschen leben, die mir etwas bedeuten. Meine Sympathie hat Marburg aber auch wegen seiner Geschichte und den vielen historischen Bauten.
Geradezu herzerwärmend ist für mich jedoch diese gemeinsame Haltung gegen Rassismus und Rechtspopulismus. Wenn ich mit Menschen ausländischer Herkunft unterwegs bin, begegne ich hier fast nie irgendwelchen Ressentiments. Anders-Sein scheint in Marburg ganz normal zu sein.
Nun muss diese alltägliche Grundhaltung durch Freundlichkeit und weitere gemeinsame Aktivitäten gepflegt werden. Beginnen könnte das mit einem freundlichen Gruß „Shalom“ oder „Salam“ und weitergehen dann mit Hilfsaktionen für Geflüchtete, Obdachlose oder andere Bedürftige. Am Ende ist die Demokratie nämlich bedürftig, wenn die Gemeinschaft nicht durch gelebte Solidarität zusammengehalten wird.
* Franz-Josef Hanke