Passend zur laufenden Europawoche informiert sich Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich über Projekte, die von der Europäischen Union (EU) unterstützt werden. Das war auch der Anlass für einen Besuch der Deutschen Blindenstudienanstalt (bliStA).
Mit ihrer Projektlinie „Inklusion & Innovation“ unterstützt die BliStA Menschen mit Blindheit und Seheinschränkung beim ersten oder auch neuerlichen Einstieg in Ausbildung und Beruf. Dafür sind bislang über 316.000 Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) bereitgestellt worden.
„Die Mittel waren sehr wichtig, um ein neues Konzept für eine gelingende und nachhaltige Integration von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu erproben und umzusetzen“, berichtete BliStA-Direktor Claus Duncker. Den Anteil der arbeitsuchenden und langzeitarbeitslosen Personen mit visuellen Einschränkungen ist leider seit Jahren unverhältnismäßig hoch.
Ute Mölter vom Reha-Beratungszentrum der BliStA beschrieb das Projekt in wenigen Worten: „Die Teilnehmenden werden Expertinnen und Experten in eigener Sache. Sie erwerben Schlüsselkompetenzen und können potenziellen Arbeitgebern angemessen und verständlich die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Seheinschränkung beschreiben.“
Auch mit Fördermöglichkeiten und dem Nachteilsausgleich kennen sie sich dann gut aus. Hinzu kommt die Einbeziehung der unternehmerischen Sichtweise.
Als Pilotprojekt komplett neu konzipiert, kümmert sich ein 13-köpfiges Team im Marburger Beratungszentrum darum, die passenden Karriereschritte in die richtige Richtung zu machen. „Wir arbeiten immer interdisziplinär; und uns ist wichtig, dass die Teilnehmenden wissen, wo sie stehen.“
Das kann eine Ausgangssituation ohne Schulabschluss sein oder als Doktorant. Das Konzept zwischen Ist-Stand-Check und Bewerbungstraining – speziell auf sehbehinderte und blinde Menschen ausgerichtet – funktioniert.
„Fast 80 Prozent hat das Team geschafft, in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, berichtete BliStA-Leiter Duncker. Das BliStA-Konzept soll nun in einem Bundesprojekt aufgegriffen und verbreitet werden.
Christoph Niehaus ist einer der Schüler, die an der blista ihr Abitur gemacht haben. In Gießen studierte er an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und machte seinen Abschluss als Diplom-Informatiker.
Meist sind die Absolventen dieser Fachrichtung sehr spezialisiert. Das ist etwas, das Niehaus in seiner Ausbildung fehlte.
Auf der Jobsuche machte er bei dem Projekt „Inklusion & Innovation“ mit Erfolg mit. „Ich hatte schon andere Bewerbungstrainings absolviert“, berichtete Niehaus. „Das hier war aber spezifisch auf meine Bedarfe als hochgradig sehbehinderter Bewerber ausgerichtet.“
Vom Arbeitszeugnis bis zum Bewerbungsschreiben seien sie alles durchgegangen. „Das habe ich so noch nicht erlebt“, erklärte Niehaus. Sie entwickelten Strategien beim Bewerbungsprozess und arbeiteten seine individuellen Stärken heraus.
„Es ist ein Glücksfall, dass hier eine sehr gute Idee auf die Möglichkeit zur Finanzierung getroffen ist“, sagte Regierungspräsident Ullrich nach der Vorstellung und einem Rundgang. „Das ist Inklusion, wie ich sie mir vorstelle.“
Wenn ein solches Pilotprojekt bundesweit fortgesetzt werde, sei das eine klare Bestätigung: „Hier haben Sie etwas sehr richtig gemacht“, lobte der Regierungspräsident die Verantwortlichen.
Manchmal brauche es neben einem hervorragenden Konzept auch jemanden, der daran glaubt. Die Europäische Union und das Land Hessen hätten dieses Potenzial glücklicherweise erkannt.
Das Interesse von Ullrich an gelungenen EU-Projekten kommt nicht von ungefähr, schließlich ist bei seinem Regierungspräsidium auch das Gießener Europe-Direct-Informationszentrum angesiedelt. Es ist Teil eines Netzwerks der Europäischen Kommission und informiert Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die Europäische Union inklusive kostenfreier Broschüren.
* pm: Regierungspräsidium Gießen