„Über die Maßen“ liebt Julia ihren Heinrich. Deshalb schwört sie ihm absolute Treue bis zum Tod.
Einen unerwartet mitfühlenden Blick auf den Frauenmörder Heinrich Blaubart wagt das Theaterstück „Blaubart – Hoffnung der Frauen“ von Dea Loher. In einer Inszenierung von Lisa-Marie Gerl und Victoria Schmidt feierte es am Samstag (7. April) beim „Theaterlabor“ des Hessischen Landestheaters Marburg Premiere auf der Probebühne.
„Unsterblich“ hat sich Julia in den schüchternen Schuhverkäufer Heinrich Blaubart verliebt. Zögernd erklärt er ihr, dass er ihre Liebe erwidert. Um aus diesem Traum nie mehr aufzuwachen, bringt Julia sich selber um.
Daraufhin sucht Blaubart nach der wahren Liebe. Doch wenn immer eine Frau sich in ihn verliebt und er ihre Liebe erwidert, muss sie sterben.
Mal verstörend, doch meist mit feiner Ironie haben die beiden Regisseurinnen das Drama auf die Bühne gebracht. Vieles von der Komik verdankt sich freilich dem Text der Autorin. Nicht ohne Grund zählt die 1964 geborene Loher zu den meistgespielten Dramatikerinnen der Gegenwart.
Ihr „Blaubart“ dekonstruiert die Gruselgeschichten vom verrückten Frauenmörder ebenso wie die Liebesschwüre vieler Paare von „ewiger Treue“ und das formalisierte Hochzeitsversprechen „bis der Tod Euch scheidet“. Mitunter wirkt in ihrem Stück die Liebe fast grausamer als die immer nur kurz mit einem Aufschrei des weiblichen Chors als zwingend dargestellte Ermordung.
Blaubart geht zu einer Prostituierten in der Hoffnung, dass sie sich nicht in ihn verlieben wird. Die gleiche Hoffnung hegt er auch bei der Begegnung mit einer blinden Frau.
Die Suche nach wahrer Liebe und der eitle Drang nach Anerkennung rütteln an überkommenen Klischees. Der Mord ist das dramatische Mittel, mit dem diese Fragen auf ihre existenzielle Bedeutung zurechtgestutzt werden.
Diese verstörend ironische Auseinandersetzung mit der Liebe haben alle Beteiligten eindrucksvoll und kurzweilig auf die Bühne gebracht. Henry Leif Solf mimte den Frauenmörder Heinrich Blaubart dabei mal schüchtern, mal hilflos überfordert und dann wieder entschlossen abwehrend. Brutal indes wirkte er während des gesamten Abends nie.
Amélie Gaime, Eva Arhelger, Frauke Hubal, Jeanine Hunold, Josephine Reischel, Larissa Lichtenfels, Regina Reisch, Tabea Eschenbrenner und vor Allem Isabell Büchner beeindruckten als seine Geliebten und als Chor, der die Handlungen Blaubarts erläuterte. Mitunter wechselten die Sprecherinnen dabei nach zwei bis drei Worten einander ab, was die surreale Note der Geschichte betonte.
Erfreulich ist, dass die blinde Darstellerin wie selbstverständlich in das Spiel einbezogen wurde und ihre Behinderung nur dadurch auffiel, dass sie für ihre Auftritte zur Bühne gleitet wurde. Dort mimte sie die Blinde mit solcher Überzeugungskraft, dass man sich eine andere Besetzung dieser Rolle kaum hätte vorstellen können.
Zu Recht erhielten alle Beteiligten am Ende langanhaltenden Applaus. Zu wünschen wäre, dass die Darsteller trotz ihres – absolut nicht erkennbaren –
Amateurstatus noch mehr Aufführungen dieser gelungenen Inszenierung möglich machen.
* Franz-Josef Hanke