Bernd Gökeler hat Multiple Sklerose (MS). Er ist Leiter einer MS-Selbsthilfegruppe.
Ihr Angebot ist genauso vielfältig wie die Krankheitsbilder ihrer Mitglieder. MS ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems. Die Symptome sind vielfältig und der Krankheitsverlauf unberechenbar.
Eine besondere Schwierigkeit stellen die unsichtbaren Symptome dar. Allen voran bringt das Erschöpfungssyndrom oft bleierne Müdigkeit nach geringster Anstrengung.
MS-Erkrankte können ihren Alltag nur schwer planen. Privates und berufliches Umfeld haben dafür oft wenig Verständnis.
Davon lassen sich die Mitglieder der MS-Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf jedoch nicht aufhalten. Den Mitgliedern ist wichtig, dass ihre gemeinsamen Aktivitäten nicht nur Freizeitunterhaltung darstellen, sondern auch politische oder symbolische Wirkung haben.
So haben sie auch am Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung am 5. Mai teilgenommen. Außerdem haben sie Spenden beim Altstadtlauf in Neustadt sowie beim ersten Marburger Stadtlauf zugunsten MS-Betroffener gesammelt.
„Für unsere Leistungsgesellschaft sind Menschen mit einer Behinderung kaum auszuhalten“, sagte Gökeler. „Zu verstehen, dass, was gestern noch ging, heute unmöglich ist und doch eventuell übermorgen wieder funktioniert, braucht von Außenstehenden Verständnis, Annahme und ehrliche Rücksichtnahme. Inklusion ist in aller Munde, aber bei weitem nicht in allen Überlegungen spürbar“, kritisierte der Gruppenleiter.
MS-Patienten tragen nicht nur stetig die Angst vor dem nächsten Krankheitsschub mit sich herum. Auch bei neuen Medikamenten schwingt immer die Sorge mit, ob sie helfen, wie lange sie helfen und welche Nebenwirkungen sie haben.
Auch die möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Krankheit liegt den Betroffenen oft schwer auf der Seele. Sie fürchten sich vor sozialer Ausgrenzung und Armut.
„Krankheit macht arm und Armut macht krank“, erklärte Gökeler. „Das ist eine Falle.“
Fast alles in der Selbsthilfe erfolge ehrenamtlich, aber ohne Geld für Ausstattung, Räume, Referenten und Fahrtkosten ist vieles nicht machbar. Diese Ausgaben werden häufig allein aus Spenden finanziert. Die Betroffenen und ihre Angehörigen sorgen neben ihrer zwischenmenschlichen Arbeit damit auch noch selber für die Finanzierung.
Das sei auf Dauer nicht zu leisten und gefährde die Existenz von Selbsthilfegruppen. Gingen die seit Jahrzehnten gewachsenen Strukturen verloren, seien sie nicht so einfach wiederzubeleben.
Die MS-Gruppe besteht bereits seit 37 Jahren und ist für die Mitglieder mittlerweile mehr als nur eine Gesprächsgruppe. Aber auch der persönliche Austausch fällt bei dem reichen Angebot nicht unter den Tisch.
In der Gruppe gibt es sogar mehrere ausgebildete Berater. „Der versammelte Erfahrungsschatz und die hoffentlich ansteckende Gelassenheit gegenüber der MS, die über viele Jahren gewachsen ist, sind nicht zu unterschätzen“, meinte Gökeler. „Zentral ist auch die lebbare Geselligkeit und Teilhabe, ohne sich erklären zu müssen.“
Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden zweiten Donnerstag im Monat. Am letzten Donnerstag des Monats gibt es zusätzlich einen MS-Stammtisch, zu dem jeder Interessierte ohne vorherige Anmeldung dazu kommen kann. Die Termine und Treffpunkte können der Internetseite der Gruppe entnommen werden.
Zum Weltgesundheitstag am Samstag (7. April) findet ab 13 Uhr der 1. Marburger Selbsthilfetag im Erwin-Piscator-Haus (EPH) statt. Das Motto lautet: „Selbsthilfe im Wandel“.
Gegen 15.30 Uhr wird es eine Lesung von Bernd Mann und Christian Kenk geben. Christian ist schwerbehindert und Bernd ist sein bester Freund. Um diese Freundschaft wird es in der Lesung gehen.
* pm: Saskia Rößner