Wegen Faschismus: Ausstellung zeigt Behindertenmorde in Marburg

Eine Ausstellung zeigt die Greuel der „Euthanasie““-Verbrechen. Auch in Marburg wurden während des Nationalsozialismus solche Verbrechen begangen.
Um Opfer, Täter und Abläufe der Patientenmorde während des Nationalsozialismus` geht es in einer neuen Ausstellung in der Marburger Stadtmitte. Die Ausstellung ist bis Donnerstag (30. Oktober) im katholischen Begegnungshaus „KA.RE.“ an der Biegenstraße zu sehen. Die Vernissage ist am Freitag (22. August) um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
„Diese Ausstellung führt uns vor Augen, was sich in diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte in und um Marburg zugetragen hat“, betonte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Sie dient uns zugleich als Mahnmal: Wir sehen, wo es endet, wenn Hass und Hetze, wenn Unmenschlichkeit und Abwertung von Menschen regieren. Wir sehen, was passiert, wenn Menschen nach ihrer ,Nützlichkeit‘ bewertet und ihre unveräußerliche Würde mit Füßen getreten wird. Wir alle müssen Sorge dafür tragen, dass das, was seinerzeit mit den Verbrechen der ,Euthanasie‘ geschah, nie wieder passieren darf.“
Das Stadtoberhaupt ergänzte: „Mein besonderer Dank gilt den Ehrenamtlichen, deren tatkräftiges Engagement und deren tiefgehende Recherche diese Ausstellung mit einem Marburger Teil erst möglich gemacht haben.“ Die Ausstellung „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ ist im großen Ausstellungssaal des katholischen Begegnungshauses „KA.RE.“ in der Biegenstraße 18 zu sehen. Sie besteht aus zwei Teilen.
Die Wanderausstellung „Die nationalsozialistischen ,Euthanasie‘-Morde“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dokumentiert Vorgeschichte, Voraussetzungen und Durchführung der Patientenmorde im Nationalsozialismus. Dabei bezieht sie auch lebensgeschichtliche Skizzen von Opfern ein, die die einzelnen Stationen und Themen der Ausstellung miteinander verbinden. Während der NS-Zeit wurden Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Behinderungen systematisch verfolgt und ermordet.
Die Ausstellung ist eine Leihgabe des „Gedenk- und Informationsortes Tiergartenstraße 4“ in Berlin. Die Wanderausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird durch die Berliner Stiftung „Topographie des Terrors“ betreut. In Marburg wird die Ausstellung auf Initiative der Arbeitsgruppe „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ innerhalb des „Marburger Netzwerks für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ und der Stadt Marburg in Kooperation mit dem katholischen Begegnungshaus „KA.RE.“ gezeigt.
Dabei weist die Ausstellung in Marburg eine Besonderheit auf: Die Arbeitsgruppe (AG) „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ im „Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ hat Informationen zur lokalen Verfolgungsgeschichte zusammengetragen und ergänzt die Ausstellung somit um einen Marburger Teil.
An mindestens 333 Marburger „Euthanasie“-Opfer wird mit der Installation „Steine gegen das Vergessen“ erinnert. Für jedes Opfer wird der Namenszug mit Geburtsdatum und dem Tag der Ermordung in der Tötungsanstalt Hadamar auf einem Backstein angebracht. Die Station ist mit Unterstützung des Lebenshilfewerks Marburg-Biedenkopf entstanden. Zudem wird an die Opfer der NS-Zwangssterilisation erinnert.
„Mit der Ausstellung zur Tötung von Menschen mit Behinderung werden Verbrechen sichtbar, die auch hier in Marburg begangen wurden“, sagte Bernd Gökeler. Der Initiator der AG und Vorsitzende des Netzwerks für Teilhabe und Beratung (NTB) ergänzte: „Täter*innen und Opfer waren Marburger*innen, Nachbarn, Vorfahren der heutigen Generation. Das heißt, Geschichte ist nicht anonym und nicht weit weg.“
Gemeindepfarrer Markus Blümelvon St. Peter und Paul findet es „wichtig, im ökumenischen Diskurs mit allen Menschen dieses wichtige Thema auch in heutigen Zusammenhängen zu diskutieren“. Der Pfarrer ist Teil des Leitungsteams des „KA.RE.“. „In Erinnerung an Bischof von Galen, der 1941 die nationalsozialistischen ,Euthanasie‘-Morde scharf verurteilt hat, möchten wir als kirchliches Haus Raum für Gedenken und Erinnerung schaffen“, erklärte Blümel.
Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag (22. August) um 19 Uhr mit einer Vernissage. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies wird ein Grußwort sprechen. Musikalisch begleitet wird die Eröffnung von Sängerin Latoya Reitzner.
Im Rahmenprogramm der Ausstellung sind verschiedene Veranstaltungen wie Vorträge, Diskussionsrunden und Filmvorführungen geplant. Bei der Ausstellung selbst wurde auf Barrierefreiheit geachtet: Unter anderem sind die Texte der Roll-Ups zum Teil in Leichter und Einfacher Sprache verfasst. Auch gibt es Medienstationen mit Zusammenfassungen der Ausstellungstexte in deutscher Gebärdensprache und als Sprachausgabe für Menschen mit Sehbeeinträchtigung.
Um gerade junge Menschen anzusprechen, wurde zudem ein „Peer-Rundgang“ entwickelt. Das ist ein Rundgang für junge Menschen mit Anleitung von Gleichaltrigen. Dabei erschließen sich die Gruppen unter Anleitung der „Peer Guides“ die Ausstellung zunächst selbst und stellen ihre Eindrücke im Anschluss gegenseitig vor. Wer einen Ausstellungsrundgang buchen möchte, meldet sich mit einer E-Mail an: marburgmachtdemokratie@marburg-stadt.de. Mehr Informationen zu der Ausstellung gibt es unter www.marburgmachtmit.de/eugenik.

* pm: Stadt Marburg

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