Manchmal mutet Marburg mich etwas provinziell an. Wenn ich jedoch weg wa und nach einer Woche wiederkommer, dann freue ich mich über genau diese Heimeligkeit.
In Marburg werden Blinde nicht auf der Straße angegafft wie das 7. Weltwunder. Passantinnen und Passanten weichen Blinden aus, die ihnen auf dem Gehsteig oder in der Oberstadt entgegenkommen. Das nehme ich als selbstverständlich hin und denke kaum mehr darüber nach.
Im Urlaub jedoch musste ich feststellen, dass Blinde anderswo keine Selbstverständlichkeit sind. Mehrmals sind mir in Konstanz Passantinnen oder Passanten direkt in den Stock hineingelaufen. MNoch öfter wurde ich beim Gang durch die Stadt am Bodensee im Vorbeigehen angerempelt.
Zweimal wollten mir Fahrgäste im Stadtbus den Behindertenplatz nicht freimachen. Mit dem Finger deutete eine Frau nach hinten, wo doch noch Platz frei sei. In beiden Fällen griff der Busfahrer nicht ein, um mir behilflich zu sein.
So etwas wäre mir in Marburg sicherlich niemals passiert. Da bin ich ganz sicher. In Marburg würden auch andere Fahrgäste eingreifen, wenn so etwas geschähe.
Was ich zur Ehrenrettung des Konstanzer Buspersonals allerdings auch erwähnen möchte, ist die Reaktion einer Chauffeurin, die nicht nur unaufgefordert die Liniennummer und das Fahrtziel ansagte, wie es in Marburg üblich ist, sondern mich darüber hinaus auch noch aufforderte: „Nehmen Sie Platz! Auf beiden Seiten sind Plätze frei.“ Sie war übrigens nich die einzige freundliche Kollegin der Stadtwerke Konstanz, aber sicherlich die netteste. Gefreut hat mich zudem der hohe Anteil an Elektro-Gelenkbussen im innterstädtischen Busverkehr von Konstanz.
Erfreulich ist auch, dass die deutschen Bodenseeschiffe auf den Schwerbehindertenausweis Freifahrt gewähren ebenso wie die Fähre von Stad nach Meersburg. So konnte ich also mit Begleitung kostenlos über den Bodensee schippern. Genug zu erleben gibt es dort allemal, selbst bei Regen und Gewitter.
Dennoch war ich nach acht Tagen Urlaub froh, wieder daheim zu sein in meinem gemütlichen Marburg. Im Stammlokal wurde ich auch gleich freudig begrüßt, obewohl die Kellnerin in Urlaub war. Gegrüßt haben mich andere Gäste,die mich seit Jahren schon kennen.
Marburg ist eben klein. Manchmal ist das von Vorteil. Manchmal möchte man auch hinaus in die weite Welt, woher man dann aber nach einer oder vielleicht auch zwei Wochen wieder sehnsüchtig heimkehrt in die menschenfreundliche Universitätsstadt an der Lahn. Da bin ich nun wieder und freue mich über ausweichende Passanten auf den engen Gehsteigen oder in Wettergasse und Barfüßerstraße.