Drei Personen aus Marburg hat das Amtsgericht Gießen am Dienstag (29. Oktober) zu einer Strafe von je 45 Tagessätzen verurteilt. Mit der „Letzten Generation vor den Klima-Kipppunkten“ hatten sie zweimal auf Gießener Straßen für Klimaschutz demonstriert.
Dadurch brauchten Autofahrerinnen und Autofahrer länger zu ihren Zielen. Die drei Verurteilten aus Marburg haben dagegen fristgerecht Rechtsmittel eingelegt. Das Urteil ist damit weiterhin nicht rechtskräftig.
Mittlerweile wurden sechs Marburgerinnen und Marburger wegen eines Protest am 31. März 2023 in Gießen in der Nähe des Bahnhalts „Oswaldsgarten“ erneut wegen Nötigung angeklagt. Zu dem vorigen Urteil und den eingelegten Rechtsmitteln erklärten die drei Verurteilten aus Marburg: „Die Richterin und der Staatsanwalt haben das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit komplett ignoriert. Sie machten einen Unterschied zwischen der nicht angemeldeten Versammlung und genehmigten Demonstrationen – obwohl es in Deutschland –
anders als etwa in Russland – keinen Genehmigungsvorbehalt für Demonstrationen gibt und das Bundesverfassungsgericht längst klargestellt hat, dass auch nicht angemeldete Versammlungen vom Grundgesetz geschützt sind.“
In einer Kollision des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit mit anderen Grundrechten können darum Versammlungen aufgelöst werden. Das ist in den verurteilten Fällen auch geschehen. Wenige Minuten später hatte dann die Polizei die Fahrbahn geräumt.
Der Staatsanwalt behauptete in der Verhandlung, bei angemeldeten Demonstrationen wüssten alle Verkehrsteilnehmer Bescheid, die Polizei richte Umleitungen ein; und Menschen blieben zuhause. Dass Demonstrationen regelmäßig zu Staus und auch Ärger bei Autofahrenden führen, wissen sowohl Demonstrierende als auch Autofahrerinnen und Autofahrer. Eine Polizistin, die wegen 39 Minuten Verspätung am Arbeitsplatz Anzeige erstattet hatte, sagte vor Gericht aus, dass sie sich fast nie vor Fahrtbeginn über eventuelle Störungen auf der Strecke informiere und bei Demonstrationen dann halt im Stau stehe.
Ungeachtet dessen hatte der Staatsanwalt Strafe gefordert und die Richterin verurteilt. Hätte dieses Urteil Rechtskraft, würden sich alle Demonstrierenden dem Risiko aussetzen, für eine Fahrtzeit-Verzögerung von irgendwem wegen angeklagt und verurteilt zu werden. „Deshalb gehen wir gegen das falsche Urteil vor“, erklärte der Marburger Mitangeklagte Stefan Diefenbach-Trommer.
Denn aus dem Urteil spreche eine obrigkeitliche Haltung, dass der Staat entscheide, wann, wo und wie demonstriert werden darf. „Am besten nur da, wo es nicht stört, also auch keine Aufmerksamkeit entsteht. Das wäre verfassungswidrig.“
* pm: Letzte Generation Marburg