Schicksalstage: Gedanken am Ende einer Schicksalswoche

Der 9. November ist ein Schicksalstag in der deutschen Geschichte. Freude und Entsetzen liegen dabei nah beieinander.
Kann Deutschland am Samstag (9. November) den 35. Jahrestag der Maueröffnung feiern, so begeht es am selben Tag auch den 86. Jahrestag der Pogromnacht. Jüdische Synagogen brannten und jüdische Geschäfte wurden geplündert. Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, ermordet und in Konzentrationslager deportiert.
Seit vielen Jahren begeht die Stadt Marburg diesen Gedenktag gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Marburg mit einem Besinnungstag im „Garten des Gedenkens“ an der Universitätsstraße. Genau dort befand sich bis zum 9. November eine der schönsten Synagogen Deutschlands, die Marburger Feuerwehrleute gemeinsam mit der SA anzündeten und kontrolliert niederbrennen ließen. Die Feuerwehr als Brandstifter missachtete damit ihre Verpflichtung zum Schutz der Menschen und warf sich dem Diktator Adolf Hitler willfährig an seinen hässlichen Hals.
Die seltsame Duplizität der Ereignisse oder – genauer gesagt – des Datums hat in diesem Jahr eine neue Komponente hinzugewonnen. Möge sie kein schlechtes Omen sein für die Zukunft der Demokratie in Deutschland!
Kaum hatte Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) unerwartet deutlich gewonnen, da platzte am Mittwoch (6. November) in Berlin die Ampel-Koalition ebenso unerwartet heftig. Dabei zeigte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner allerdings nicht zum ersten Mal seine selbstsüchtige neoliberale Fratze. Sein Rauswurf als Finanzminister war mehr als überfällig!
Doch auch Friedrich Merz versucht auf durchsichtige Weise, persönliches Machtkapital aus dieser prekären Situation zu schlagen: Er hat Bundeskanzler Olaf Scholz zur sofortigen Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag aufgefordert. Zwingen kann er ihn dazu allerdings nicht.
Scholz, der sonst nicht gerade bekannt ist als mitreißender Redner, hat bei der Begründung von Lindners Entlassung sehr deutliche Worte gefunden. Seine Ankündigung, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, zeugt von staatsmännischer Klugheit: Die Vorbereitung einer Bundestagswahl über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel hat die Bundeswahlleiterin Ruth Brand als „Herausforderung“ bezeichnet, die zwar zu bewältigen sei, aber im Interesse einer geordneten Durchführung der Wahl besser vermieden würde.
Ohnehin warten geheime Gesellen in Diensten eines verbrecherischen Diktators nur darauf, die demokratischen Strukturen in Deutschland und ganz Europa zu unterwandern, wie es ihnen mit ihrer Lügenpropaganda in den USA bereits gelungen ist. Da wäre ein wenig mehr Ruhe und Besonnenheit bestimmt besser als hektische Machtaneignungsversuche. Während die ablaufende Woche gewiss als „Schicksalswoche“ bezeichnet werden kann, würde die Wahl zumindest ohne eine sorgfältige Vorbereitung wohl auch zur „Schicksalswahl“.

* Franz-Josef Hanke

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