Viel für Vielfalt: Kundgebung gegen Martin Sellner am EPH

Marburg steht auf für Demokratie und gegen Rassismus. „In Marburg ist kein Platz für intolerante Faschisten.“
Menschen aus Marburg und der Region haben am Montag (29. Juli) ein deutliches Zeichen für Demokratie und gegen rechtsradikale und menschenfeindliche Propaganda gesetzt. Mehr als 3.000 haben vor dem Erwin-Piscator-Haus (EPH) demonstriert. Ihre Botschaft lautete: „Wir stehen zusammen gegen Vertreibung ein.“
Bei der Kundgebung sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies: „Wir stehen hier zusammen, weil wir zusammengehören. Weil alle ein unverzichtbarer Teil unseres Gemeinwesens sind. Weil wir nur gemeinsam vollständig sind. Und wir stehen hier, weil wir keine menschenfeindliche Propaganda dulden werden.“
Nach Angaben der Stadt hatten sich dort Insgesamt mehr als 3.000 Menschen versammelt, um gemeinsam deutlich zu machen, was sie von den Vertreibungs-Theorien des Österreichers Martin Sellner halten – und dass sie gegen menschenfeindliche Pläne stehen, die die Vertreibung ihrer Nachbar*innen, Freund*innen und Familien vorsehen. „Bunt ist das Leben“, „Check mal deinen Genpool, Sellner“, „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“ und „Intelligenz statt Ignoranz“ war auf Schildern und Transparenten zu lesen. „Wir kämpfen für eine offene, bunte und gerechte Gesellschaft, in der alle Menschen ihren Platz haben“, betonte Spies. „Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Heute, morgen und jeden Tag!“
Als Sprecher des Netzwerks für Demokratie und gegen Rechtsextremismus bekräftigte Dr. Georg Falk, dass „die Garantie der Menschenwürde ein zentrales Fundament unserer Rechtsordnung“ sei. „Dieses Fundament wird nun erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik von Teilen der Gesellschaft ernsthaft in Frage gestellt.“
Darüber hinaus stellte Falk heraus, dass es verfassungsgemäß die Pflicht eines jeden sei, mit allen Kräften für eben jene Verfassung einzutreten. „Es darf in dieser Gesellschaft keinen Raum für die rechten Hetzer geben. Null Toleranz – das muss die Leitlinie sein.“
Denn rechtsextreme Parteien seien nicht beherrschbar und auch nicht mit guter Regierungsarbeit klein zu halten: „Das gehört zu den bittersten Illusionen überhaupt“, erklärte der Jurist.
„Wir lassen uns nicht provozieren von einer Lesung eines Mitdreißigers aus Österreich; aber wir lassen uns animieren um zu zeigen, was für uns als Demokraten wichtig ist“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow. „Solche kruden Ideen sollen, dürfen und werden in Marburg und in Marburg-Biedenkopf kein Gehör finden. Denn wir sind eine Stadt und eine Region, die durch Migration und Integration stark geworden ist.“ Viele Firmen und Kommunen gäbe es ohne Migration nicht, Arbeitskräfte würden fehlen; und viele Unternehmen seien von Geflüchteten gegründet worden.
Für Sareh Darsaraee vom Ausländerbeirat der Stadt Marburg ist klar: „Deutschland ist unser aller Heimat.“ Daher sei ihr die Zukunft des Landes ebenso wichtig wie den hier geborenen Menschen. „Die geografischen Grenzen hinter denen unsere Geburtsorte liegen – das ist der einzige Unterschied zwischen uns.“ Sie betonte, dass der Ursprung des Faschismus Unwissenheit und Angst sei, was dazu führe ein schreckliches Bild von „den Anderen“ zu konstruieren, statt sich mit den komplexen Ursachen von Entwicklungen auseinanderzusetzen.
Für die Gewerkschaften sprach Murat Kara als Mitglied des Bezirksvorstands der DGB-Jugend Hessen: „Diese Menschen behaupten, sie würden sich für die kleinen Leute einsetzen. Aber das stimmt nicht – sie wollen unsere Gewerkschaften schwächen, die Rechte der Arbeitnehmer*innen beschneiden und die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößern. Dem müssen wir uns entgegenstellen und zeigen, dass unsere Solidarität stärker ist als ihr Hass.“
Er betonte: „Wegschauen, nicht hingehen und schweigen – das hatten wir schon einmal. Den Luxus, keine Meinung zu haben, können wir uns nicht leisten.“
In Marburg ist kein Platz für intolerante Faschisten. Das betonte Thorsten Büchner unter dem Jubel der Demonstrierenden. Als stellvertretender Vorsitzender sprach er im Namen der Stadtverordnetenversammlung (StVV), die mit ihrem Beschluss den Auftrag für die Kundgebung gegeben hatten.
CDU, FDP, BfM,Bündnis90/Die Grünen, die SPD, die Linke und die Marburger Linken sowie die beiden Einzelabgeordneten – „58 von 59 Abgeordneten – sind sich über die politischen Lager hinweg einig, dass es in unserer Stadt keinen Platz für menschenfeindliches Gedankengut, menschenfeindliche Haltungen und keinen Platz für einen Martin Sellner gibt“, erklärte Büchner. „Wir als Demokrat*innen müssen zusammenstehen, damit das Gift eines Martin Sellner nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Denn es ist nicht nur menschenverachtendes Gedankengut in der Theorie, es führt auch zu Taten“, führte Büchner aus und verwies auf den Attentäter von Christchurch in Neuseeland oder den Mörder von Walter Lübcke, die beide eine Verbindung zu Sellner hätten.
„Er ist ein Brandstifter, den wir hier nicht haben wollen; und wir sind das Gegengift gegen seine Ideen.“ Büchner richtete einen Appell an „uns alle, den demokratischen Diskurs ohne Häme und Verächtlichmachung des Anderen hinzubekommen“.
Büchner berichtete auch von einer persönlichen Erfahrung als – von Geburt an – blindem Menschen, wie er als Jugendlicher mit einer Gruppe anderer Sehbehinderter das erste Mal nach Marburg kam „und wie wir im Zug hierher von einem Nazi mit niederträchtigen und euthanasie-angelehnten Kommentaren überzogen wurden. Es geht hier nicht um die Anderen; es geht um uns. Ich bin froh, dass in Marburg Menschen mit Behinderung und Menschen aus über 140 Nationen genauso dazugehören wie das Kopfsteinpflaster zur Oberstadt und die Getränke im Biergarten zum Beisammensein. Lasst und dafür sorgen, dass das so bleibt!“
Umrahmt wurde die Veranstaltung musikalisch von Rose Letso Steinhoff und Franziska Knetsch. Sie ließen tausende Menschen mitsingen etwa bei „Imagine“ und „Bella Ciao“. Damit sorgten sie für Gänsehaut und lautstarke Zusammengehörigkeit.

* pm: Stadt Marburg

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