Erneuerung Mitmachen: Biografie über Hanna Korflür vorgestellt

Einblicke in das Wirken einer mutigen Künstlerin gibt es ab sofort im Buchhandel. Die Biografie über Hanna Korflür wurde am Freitag (3. Mai) im Rathaus vorgestellt.
Das Leben und Wirken der außergewöhnlichen Künstlerin Hanna Korflür „blätterte“ sich am Freitag (3. Mai) im prall gefüllten Historischen Saal des Rathauses ganz neu auf. Ab sofort ist es für alle als Buch nachzulesen. Nach dem Bestseller der Krekel-Stadtschrift ist mit der von Elke Therre-Staal geschriebenen Biografie „Hanna Korflür. Segel, die den Aufbruch markieren. Ein Leben zwischen Familie und Kunst“ nun eine neue Stadtschrift erschienen.
„Hanna Korflür – Marburgerin, hier geboren, aufgewachsen und bis zu ihrem Tod 1993 als Künstlerin tätig – gehört zu den mutigen und schöpferischen Menschen, die diese Stadt und ihre Vielfalt geprägt haben“, begrüßte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies über 100 Gäste, die im Historischen Saal des Rathauses mehr als den letzten Platz füllten. Augenzwinkernd ergänzte er: „Ich freue mich, dass der Saal heute zu klein ist.“
Heute noch und wieder mehr sind Korflürs Installationen auch in der Stadt zu finden, vom Brunnen bei Weidenhausen über die leuchtend rote Skulptur „Signal“ im Botanischen Garten auf den Lahnbergen bis zur Skulptur im Vitos-Park und zur Gestaltung der Friedhofskapelle Rotenberg. Ein weiterer Standort ist nach der Fertigstellung des Zentrums Peter und Paul geplant.
Nun halte man eine Biografie in den Händen, die bedeutende Einblicke in das Werk von Korflür gebe als einer engagierten und weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten Künstlerin: „Die Aufgabe aus Mosaiksteinen mit Feingefühl ein Ganzes zusammenzusetzen sowie den richtigen Ton zu treffen“, sei Autorin Elke Therre-Staal mehr als gelungen. „Behutsam und zugleich überraschend werden dafür Zeit- und Kunstgeschichte immer wieder mit dem Biografischen verwoben“, beschrieb der Oberbürgermeister das druckfrisch als Stadtschrift herausgegebene Buch.
„Vor uns liegt eine Stadtschrift, die Kunstliebhaber*innen genauso ansprechen möchte, wie alle, die sich für kreative Marburger Familiengeschichte(n) und die emanzipatorische Wirkung der Kunst interessieren“, betonte Spies. Das sei „ein Buch, das so im besten Sinne die Aufgabe der städtischen Reihe zur Geschichte und Kultur erfüllt“ Und mit dem sich Leser*in und Autorin, die Fremde seien, dennoch in „uneingeschränkter Zweisamkeit“ begegnen könnten, nahm er auf den kürzlich verstorbenen Schriftsteller Paul Auster Bezug.
Als Korflür ihre Segel für Bildende Kunst setzte, da sei die Kunst in den 60er Jahren in Marburg noch überschaubar gewesen. Vor allem als Frau war es schwierig, sich als Künstlerin zu etablieren: „Hanna Korflür entzog sich jeder ideologischen Zuordnung und zeigte Mut zum Aufbruch“, würdigte der Oberbürgermeister ihre Haltung und ihr Wirken. Sie wollte den Kern offenlegen, wandte sich gegen das Glatte und Erstarrte, machte Spies mit der Beschreibung zugleich deutlich, dass die Freiheit der Kunst unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie ist.
Korflür hatte sich über ihr eigenes Schaffen hinaus über Jahrzehnte im Marburger Kunstverein für die Bildende Kunst insgesamt eingesetzt. „Ich bin froh, dass ihr Wirken jetzt in einem Buch formuliert worden ist. Denn allzu oft gerät ein so außergewöhnliches Schaffen in Vergessenheit“, freute sich auch Vorsitzender Michael Herrmann Herrmann vom Kunstverein über die Publikation.
In Korflürs Leben spiegelt sich zugleich die wechselvolle Geschichte der vergangenen 100 Jahre wider. Geboren 1925 hat sie das Dritte Reich erlebt, die Zerstörung der Werte, die Verfolgung von Mitbürger*innen, und sie überlebte den verbrecherischen Krieg.
„Die Kunst war ihr Refugium“, ließ ihre Tochter Gisela Korflür das Publikum im Rathaus auch an ganz persönlichen Erinnerungen über ihre Mutter teilhaben. „Ich verdanke ihr viel, war stets umgeben von ihrer Kreativität.“
Das gelinge auch der Stadtschrift, galt ihr Dank Projektleiterin Sabine Preisler für die Stadt und der Autorin Elke Therre-Staal. Das Buch bringe mit großem Elan das Leben und Wirken von Hanna Korflür ans Licht der Öffentlichkeit. Der Arbeit der Künstlerin gedachte Gisela Korflür so: „Sie hat an ihrem künstlerischen Ausdruck festgehalten, selbst mit gebrochener Hand oder auf Ausflügen hat sie weiter gezeichnet.“
Neben ihrem ungebrochenen Willen, ihr Kunstschaffen zu vollenden, habe sich ihre Mutter mit großer Empathie und Hingabe um die Familie gekümmert. Ihr mittlerweile verstorbener Bruder Friedemann Korflür habe Therre-Staal einst kennengelernt und mit ihr zusammen den Anstoß für das Buchprojekt gegeben. „Für einen Überblick über das Werk meiner Mutter führten wir fort, was mein Vater begonnen hatte und so stellten wir Fotos und Texte für ein Werkverzeichnis zusammen.“
Das Öffnen der Familienarchive habe das Buch mit neuen Perspektiven erfüllt, dankte Spies ausdrücklich über zehn Mitgliedern der Familie Korflür, die zur Vorstellung ins Rathaus gekommen waren. Zudem sei neben der vielen Arbeit im Buch auch die Freude zu spüren, mit der Autorin, Projektleiterin und Grafikerin als „Frauen-Trio“ gearbeitet hätten.
Die Nachkriegszeit hatte Korflür, wie dort zu lesen ist, wie viele ihrer Generation dem Wiederaufbau und der Familie gewidmet. Ihre Kunst jedoch hat sie zielgerichtet Schritt für Schritt in den Mittelpunkt ihres Lebens gerückt, bis sie als Künstlerin – vor allem als Bildhauerin – bekannt wurde. Und sie ist damit zu ihrer Ausbildung und früher Prägung als Kind in einer (kunst)handwerklichen Familie zurückgekehrt.
„Hanna Korflür eröffnet Denkräume, macht sichtbar, was sich hinter der Normalität verbirgt“, erklärte Autorin Therre-Staal. „Ich versuchte, meine Aussage auf Wesentliches zu beschränken und dem Betrachter die Möglichkeit offen zu lassen, eigene Gedanken daran zu knüpfen“. So hatte es die Künstlerin selbst einmal formuliert.
Mit Holz, weil Korflür es seit der Kindheit liebt. Mit Metall, weil es sie stets fasziniert. Aber auch mit der Poesie der Bildersprache – mit Skulpturen, Plastiken, Collagen, Zeichnungen, Grafiken und Aquarellen, Rauminstallationen – manches mit Ironie und Verfremdung, jedoch immer mit tiefer empathischer Ernsthaftigkeit. „Einseitigkeiten in Technik und Motivwahl gehe ich aus dem Weg, um nicht in Perfektion und Glätte zu erstarren“, lässt die neue Stadtschrift gleich zum Auftakt die Künstlerin sprechen. „Hanna Korflür hat ihre Sehnsucht nach Aufbruch vermittelt in ihren Werken“, hob Therre-Staal während ihrer Lesung hervor.
Eine Gesprächsrunde, die Projektleiterin Sabine Preisler mit Gisela Korflür, Autorin Therre-Staal, mit Grafikerin Lena Zeise und Kunsthistorikerin Dr. Irene Ewinkel führte, vermittelte Einblicke in den Entstehungsprozess der Stadtschrift. „Bei Hanna Korflür hat mich ihre Vielfältigkeit in Leben und Wirken sehr beeindruckt. Umso spannender war die Arbeit an der Gestaltung des Layouts, in dem wir genau diese Vielfältigkeit zeigen wollen“, erklärte die Münsteraner Grafikerin Zeise, der wichtig ist, dass die Gestaltung auch Raum für die eigentlichen Kunstwerke gibt.
Therre-Staal betonte: „Ich habe Korflür für ihre Konsequenz und ihre Kraft bewundert, mit der sie unheimlich Großes geschaffen hat.“ Es sei eine ganz neue Perspektive, die die Autorin ihr ermöglicht habe“, fügte Gisela Korflür hinzu. „Was für mich eigentlich selbstverständlich war, sah ich bei der Lektüre in völlig neuen Kontexten.“
Begleitet wurde der Nachmittag auf der Querflöte und von einem Streichertrio durch Lieblingskompositionen der Künstlerin. Musiker*innen der Marburger Philharmonie sowie der Kammerorchester Marburg und Lahntal spielten die Stücke.
Auf über 220 Seiten und mit mehr als 100 Abbildungen ermöglicht das Buch als Stadtschrift Band 119 nun neue Einblicke in Lebensweg und Werk von Hanna Korflürs. Das Buch ist für 18,60 Euro im Buchhandel erhältlich und mit der ISBN 978-3-942487-22-1 bestellbar. Ein Werkverzeichnis aller Werke ist ergänzend dazu bereits in Arbeit.

* pm: Stadt Marburg

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