Wie gut wirkt eine elektronische Entscheidungshilfe für die ärztliche Beratung? Das hat eine Forschungsgruppe mit Marburger Beteiligung untersucht.
Nutzen Hausärzte die Software „arriba-PPI“ in Beratungsgesprächen, so verschreiben sie weniger unnötige Säureblocker. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut für Allgemeinmedizin der Philipps-Universität gemeinsam mit Fachkolleginnen und -kollegen anderer Universitäten durchgeführt hat. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Julia Heisig und Prof. Dr. Annika Viniol berichten im Wissenschaftsmagazin „Scientific Reports“ über ihre Ergebnisse.
Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit fließt Magensäure in die Speiseröhre, was zu Sodbrennen führen kann. Dagegen verschreiben Ärztinnen und Ärzte häufig Säureblocker; dabei handelt es sich um Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) wie Pantoprazol und Omeprazol. Säureblocker gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamenten, die auch gegen Magengeschwüre und andere Beschwerden mit dem Verdauungstrakt eingesetzt werden.
„Oftmals kommt es zu unreflektierten Weiterverordnungen, Problemen beim plötzlichen Absetzen oder zu Nebenwirkungen, die erst nach Jahren der PPI-Einnahme auftreten“, berichtete Dr. Julia Heisig vom Institut für Allgemeinmedizin der Philipps-Universität. Sie ist die Erstautorin des Fachaufsatzes. Um eine Überversorgung zu vermeiden und langfristige Risiken zu minimieren, ist immer wieder sorgfältig zu prüfen, ob die Präparate abgesetzt werden können. Die Entscheidung für oder gegen eine Verschreibung treffen Hausärztinnen und Hausärzte üblicherweise gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten, die betroffen sind.
„Um die Beratung zu erleichtern, haben wir die digitale Entscheidungshilfe arriba-PPI entwickelt, die den Hausarzt oder die Hausärztin während der Sprechstunde unterstützen kann“, führte die Marburger Allgemeinmedizinerin Prof. Dr. Annika Viniol aus. Sie ist eine weitere Leitautorin der aktuellen Studie. Hält die Onlinehilfe, was sie verspricht? Um das herauszufinden, führte das Marburger Institut für Allgemeinmedizin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eine Studie mit 2.370 Patientinnen und Patienten durch, die mindestens ein halbes Jahr lang Säureblocker eingenommen hatten.
Sie erhielten je zur Hälfte entweder eine hausärztliche Beratung unter Zuhilfenahme von arriba-PPI oder eine Behandlung wie üblich. „In jeder zweiten Beratung mit arriba-PPI einigte man sich auf ein Absetzen oder auf eine Verminderung der Medikation“, berichtete Heisig. Das führte nach sechs Monaten dazu, dass in der Gruppe mit computergestützter Beratung die Verordnung von Säureblockern im Vergleich zur Kontrollgruppe um 22 Prozent niedriger ausfiel.
„Die Beratung mit arriba-PPI führt also zu einer geringeren Verschreibungsrate von Protonenpumpen-Inhibitoren in Hausarztpraxen“, fasste Heisig zusammen. Einige kassenärztliche Vereinigungen und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin haben sich bereits dafür ausgesprochen, arriba-PPI in die Regelversorgung zu integrieren, weiß die Marburger Wissenschaftlerin zu berichten. Neben dem Institut für Allgemeinmedizin der Philipps-Universität habeen sich die Universitäten Düsseldorf und Witten/Herdecke an der Studie, die der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses der Bundesrepublik Deutschland finanziell förderte.
* pm: Philipps-Universität Marburg