Institutsgründung: MarIAT stärkt Hilfen bei Autismus

Die Philipps-Universität stärkt Forschung und Therapie zu Autismus. Sie hat ein Institut für Autismusforschung und Therapie gegründet.
Menschen mit Autismus und ihre Familien brauchen eine einfühlsame, zielgerichtete Begleitung, um die sich ständig verändernden Anforderungen im Alltag bewältigen zu können. Um diese Menschen zu unterstützen, hat die Philipps-Universität das „Marburger Institut für Autismusforschung und Therapie“ (MarIAT) an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie gegründet. Bei MarIAT arbeiten Forschung und Therapie eng zusammen.
„MarIAT bietet evidenzbasierte therapeutische Interventionen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Autismus“,, erklärte MarIAT-Leiterin Prof. Dr. Inge Kamp-Becker. „Die Interventionen werden effizient, zielorientiert und Leitlinien-gerecht durchgeführt.“ Betroffene sollen schnell und zuverlässig individuell angepasste Hilfe bekommen und auf dem Weg in ein selbständiges Leben unterstützt werden.
Das Hauptziel der Behandlung in MarIAT besteht in der Förderung individueller Entwicklungspotentiale. Zentral sind dabei die Förderung sozial-kommunikativer Fähigkeiten sowie die Entwicklung der Selbstständigkeit. Eltern und andere Bezugspersonen werden eng in die Behandlung mit einbezogen.
Angepasst an Alter, Sprachentwicklung und Intelligenzniveau bietet MarIAT individualisierte, entwicklungsorientierte, verhaltenstherapeutische Förderung an: Von der Frühförderung für Klein- und Vorschulkinder unter engem Einbezug der Eltern, über Elternberatung und -trainings, Einzeltherapie und Gruppentrainings für Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene und therapeutische Begleitung in der beruflichen (Wieder-)
Eingliederung bis zur Vernetzung der Hilfesysteme. Da die Autismus-Spektrum-Störung eine (seelische oder ggf. mehrfache) Behinderung darstellt, wird die Behandlung in MarIAT über die Eingliederungshilfe finanziert. Mit der Stadt Marburg und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf wurden entsprechende Vereinbarungen zur Finanzierung der Therapie abgeschlossen.
„In MarIAT werden die neuesten therapeutischen Verfahren angewandt, deren Wirksamkeit bereits in wissenschaftlichen Studien belegt wurde“, erklärten die MarIAT-Mitarbeiterinnen Dr. Sanna Stroth und Dr. Anika Langmann.
Prof. Dr. Katja Becker betonte: „“Durch MarIAT können auch unseren Patient*innen der Klinik und der Spezialambulanz für Autismus-Spektrum-Störungen die ambulanten Förder-Angebote gemacht werden, die sie benötigen. Außerdem eröffnen sich durch MarIAT neue Möglichkeiten für die Erforschung und Weiterentwicklung der Therapien von Autismus-Spektrum-Störungen.“ Becker ist Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Die „Autismus-Spektrum-Störung“ ist eine tiefgreifende und über die gesamte Lebensspanne hinweg bestehende Entwicklungsstörung. Sie ist durch anhaltende und situationsübergreifende Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion sowie stereotype Verhaltensweisen gekennzeichnet. Die Störung tritt in der Regel bereits im frühen Kindesalter auf und bleibt über die gesamte Lebensspanne bestehen.
Im Kindesalter kann eine frühe und gezielte Förderung die Entwicklungsprognose deutlich verbessern. Es besteht insgesamt ein breites und komplexes Muster an Beeinträchtigungen auf verschiedenen Ebenen (Sprache, Motorik, Kommunikation, Interaktion). Das Erscheinungsbild ist sehr vielfältig und reicht von nicht-sprechenden Personen mit Intelligenzminderung und vielen stereotypen Verhaltensweisen bis hin zu gut begabten Menschen mit altersgerechten sprachlichen Fähigkeiten, die dennoch in komplexen sozialen Situationen erheblichen Unterstützungsbedarf haben und durch stark ritualisiertes oder rigides Verhalten schwer in ein soziales Umfeld integrierbar sind.
Autismus gehört mit einer international ermittelten Häufigkeit von etwa einem Prozent zu den häufigen psychischen Störungen. Für Deutschland liegen derzeit keine verlässlichen epidemiologischen Zahlen vor.
An der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie besteht eine lange Tradition in der Erforschung dieses Störungsbilds. Die Arbeitsgruppe „Autismus-Spektrum-Störungen“ unter der Leitung von Kamp-Becker hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt, die sich mit der Symptomatik, der Früherkennung, Diagnostik sowie Differentialdiagnosen und dem Verlauf von Autismus beschäftigen. Außerdem wurden und werden genetische und Bildgebungs-Studien zur Erforschung der Ursachen sowie auch Therapie-Studien durchgeführt, um die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen zu erforschen.

* pm: Philipps-Universität Marburg

Kommentare sind abgeschaltet.