Was braucht es für erfolgreiche Bildung und gelungene Integration? Diese Frage erörterten ehemalige Schüler*innen im Gespräch.
Acht ehemalige Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben auf ihren bisherigen Werdegang zurückgeblickt. Dafür haben sie sich mit Gesche Herrler-Heycke als der stellvertretenden Leiterin des Staatlichen Schulamts, Bürgermeisterin Nadine Bernshausen und dem Ersten Kreisbeigeordneten Marian Zachow zum Gespräch getroffen. Mittlerweile sind die jungen Leute in der Ausbildung, im Studium oder arbeiten bereits in ihrem erlernten Beruf.
Im gemeinsamen Gespräch tauschten sie sich darüber aus, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Bildung und Integration erfolgreich gelingen können. „Der Deutschförderung kommt eine herausragende Bedeutung zu“, waren sich alle einig.
Herrler-Heycke führte als zuständige Generalistin für das Aufgabengebiet „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) aus: „Sprache ist der Schlüssel für den Bildungserfolg und damit Voraussetzung für eine gelingende Integration. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler einen guten Abschluss erzielen und wir dafür die bestmöglichen Bedingungen schaffen. Das Kultusministerium stellt hierfür umfassende Ressourcen zur Verfügung und unsere Schulen leisten hier Erhebliches, damit dies gelingen kann. “
Bernshausen ergänzte: „Die Integration durch Bildung ist ein Prozess, der Zeit braucht. Er beginnt bereits in unseren Kindertagesstätten, setzt sich in der Schule fort und muss auch in der Ausbildung und im Beruf weitergeführt werden. Um dies erfolgreich umzusetzen, sind klare Strukturen, ausreichende Ressourcen und gute Konzepte erforderlich. Es ist wichtig, die Vielfalt als Chance zu nutzen, aber auch angemessen mit Konflikten umzugehen, die nicht nur kulturell bedingt sein können. Die Digitalisierung und eine angepasste Lernumgebung spielen dabei eine wichtige Rolle.“
Zachow betonte: „Schon 2014 und 2015 haben wir gesehen, dass Bildung – und zwar bis ins hohe Alter – der Schlüssel zu Integration und Teilhabe ist, und entsprechende Weichen gestellt.“ Dass nunmehr echte, wirkungsvolle und nachhaltige Erfolgsgeschichten geschrieben worden seien und aus Geflüchteten von einst Arbeitskolleg*innen, Auszubildende oder Mitstudierende geworden seien, zeige, dass die Weichenstellungen, für die Kreis, Stadt und das Staatliche Schulamt gemeinsam gekämpft haben, richtig und zielführend gewesen seien.
„Diese Bilanz ist, auch im Vergleich zu vergangenen Phasen größerer Zuwanderung, bemerkenswert“, erläuterte Zachow weiter. „Es zeigt auch, dass Integration und Miteinanderkultur gelingen kann, wenn man konsequent und tatkräftig gute Rahmenbedingungen für die Bildung schafft.“
Anna Bogac und Doruntina Isufi, Said Nooriddin Seidi und Abdalrahman Othman, Moatez Thaljeh, Ahmad Karzoun sowie Muhi Eddin Sarji und Fyori Yrgalem Teleske haben an unterschiedlichen Schulen im Landkreis und der Stadt Marburg Intensivklassen und InteA-Klassen besucht und nahmen an der Gesprächsrunde teil. Die acht ehemaligen Schüler*innen berichteten über ihren Werdegang und welche Voraussetzungen beziehungsweise Angebote ihnen dabei geholfen hatten, einen erfolgreichen Schulabschluss zu absolvieren. Inzwischen sind sie in der Ausbildung zum Krankenpflegehelfer und Elektroniker für Betriebstechnik, im Studium für das gymnasiale Lehramt oder sie arbeiten bereits als Anlagenmechaniker, Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Informationstechnischer Assistent, Bürokauffrau oder zahnmedizinische Fachangestellte.
Sie stellten anschaulich dar, dass das Erlenen der deutschen Sprache grundlegende Voraussetzung für eine gelungene Integration, das Finden von Freunden, den Besuch von Vereinen und den späteren beruflichen Werdegang sei. Wesentliche Unterstützungsfaktoren seien für sie neben dem intensiven Sprachunterricht und ihrer hohen Eigenmotivation die vielen unterstützenden Personen, Lehrkräfte und Sozialarbeiter*innen, aber auch solidarische und helfende Menschen im privaten Umfeld gewesen. Diese Menschen haben auch im Übergang in das Berufsleben geholfen, bürokratische Hürden zu nehmen. Für eine gute Vorbereitung auf die Berufswelt empfahlen sie möglichst viele Praktikumserfahrungen.
Das Erlernen der deutschen Sprache sei demnach der entscheidende Schlüssel zu schulischem Erfolg, gesellschaftlicher Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit, waren sich die Beteiligten einig. Sie seien überzeugt davon, dass das schulische Gesamtsprachförderkonzept in Hessen Strukturen und Angebote biete, die eine Grundlage für erfolgreiche Bildung und Integration lege.
Neben den verpflichtenden, flächendeckend eingerichteten einjährigen Vorlaufkursen für alle Kinder im Vorschulalter, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, seien Intensivklassen eine tragende Säule der Sprachförderung. In diesen Klassen werden für Seiteneinsteiger*innen grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache vermittelt und der Übergang in die Regelklassen vorbereitet.
Im Schulamtsbereich werden derzeit 1036 Schüler*innen in 69 Intensivklassen an Grundschulen und weiterführenden Schulen unterrichtet. Hinzu kommen 283 Schüler*innen, die insgesamt 14 Intensivklassen an beruflichen Schulen, sogenannten InteA-Klassen (InteA: Integration durch Abschluss), besuchen.
Ergänzende Unterstützung erfährt dieser Baustein durch ein sozialpädagogisches Angebot, welches durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration finanziert wird. Damit der Übergang in den Regelunterricht bestmöglich unterstützt werden kann, wurden allen Schulen im Aufsichtsbereich zusätzliche Unterrichtsstunden zur gezielten Deutschförderung, sogenannte DAZ-Stunden, zugewiesen. Grundschulen mit hohem Zuwanderungsanteil fördern mit dem Baustein „Deutsch & PC“ Kinder, deren Deutschkenntnisse noch verbessert werden müssen. Für die zusätzliche Sprachförderung stehen ca. 57 Stellen zur Verfügung.
„Hessen hat bundesweit die wenigsten Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit Migrationshintergrund, die ohne Abschluss sind“, berichtete Herrler-Heycke und ergänzte: „Vielen zugewanderten Schülerinnen und Schülern gelingt der Übergang in eine Ausbildung und unter ihnen erreichen hessenweit immer mehr eine Qualifikation für ein Studium. Damit liegt Hessen im Ländervergleich mit an der Spitze.“
Noch nie kamen in so kurzer Zeit so viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche nach Hessen wie im Schuljahr 2022/23; und noch nie befanden sich so viele Schülerinnen und Schüler in Intensivmaßnahmen zum Deutschlernen. Landesweit waren es rund 36.000. Rund 1.300 Schüler*innen besuchen im Schuljahr 2023/24 als sogenannte „Seiteneinsteiger*innen“ eine der 69 Intensivklassen an den Schulen im Landkreis Marburg-Biedenkopf und in der Universitätsstadt Marburg sowie InteA-Klassen. Etwa 600 Kinder im Vorschulalter nehmen in diesem Jahr im Schulamtsbereich des Schulamts Marburg an den verpflichtenden, einjährigen Vorlaufkursen teil. Je nach Herkunftsland sind die Ausgangslagen für einen erfolgreichen Spracherwerb und die damit zusammenhängende Integration sehr unterschiedlich.
* pm: Stadt Marburg