Jana Trommer aus Marburg hat am Samstag (1. juli) in Stuttgart für mehr Klimaschutz demonstriert. Dazu hat sie sich an einer Straßenblockade der „Letzten Generation“ beteiligt.
Engagierte Aktive der „Letzten Generation“ unterbrachen am Samstag (1. Juli) auf zwölf Straßen in Stuttgart den todbringenden fossilen Alltag. Betroffen sind unter anderem zahlreiche wichtige Zufahrten zur Innenstadt wie die B14, die B27, der Heslacher Tunnel und der Leuzeknoten.
Zu den Unterstützenden gehören auch wieder Menschen aus dem Gesundheitswesen. Der 43-jährige Rettungssanitäter und Fachdozent Percy O. Collas ist Vater von zwei Kindern.
Über seine Motivation sagte er: „Hitze ist die größte akute Gesundheitsgefahr für den Menschen, die sich aus dem Klimakollaps ergibt! Doch unsere Bundesregierung kann oder will nicht handeln; und das macht mir besonders Angst. Wenn sie jetzt schon planlos ist, wie soll sie uns erst schützen, wenn auch wir unter Hunger und Durst leiden werden?“
Das kann er nicht einfach hinnehmen. „Deshalb sitze ich heute auf der Straße.“
Ein paar Straßen weiter sitzt die dreifache Mutter und Psychologin Jana Trommer. „Wenn ich über die Zukunft meiner Kinder nachdenke, bekomme ich Angst davor, wie schlimm die Klimakatastrophe sie treffen wird“, sagte die 53-jährige Marburgerin zu ihren Protest. „Schon lange leiden Millionen von Menschen im globalen Süden unter Wetterextremen, und jetzt merken wir auch bei uns die Auswirkungen immer stärker, z. B. die Unwetter in Kassel letzte Woche – Joachim Schellnhuber hat sie als Warnschuss bezeichnet.“
Im Juli jährt sich der Beschluss des Gemeinderats, Stuttgart bis 2035 klimaneutral zu machen. Der Gemeinderat hat einen Bürgerrat einberufen, um die Einwohnerschaft an diesem Prozess zu beteiligen.
Am Montag (26. Juni) ist eine Liste mit 24 Empfehlungen des Bürgerrats auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht worden. Diese Empfehlungen beschränken sich bis jetzt hauptsächlich auf die Bereiche Mobilität und Wärme, enthalten aber durchaus konkrete Maßnahmen wie die Forderung danach, dass ein Anwohnerparkplatz teurer sein muss als ein ÖPNV-Jahres- oder Monatsticket.
Laut dem Koordinator Bruno Wipfler waren die beteiligten Fachleute von der Arbeit der Teilnehmenden beeindruckt. Erste Entscheidungen des Gemeinderats zu den abgegebenen Empfehlungen soll es ihm zufolge im Herbst 2023 geben.
Der erste Stuttgarter Bürgerrat gibt einen guten Ausblick darauf, wie ein Gesellschaftsrat Klima die Demokratie stärken kann. Gesellschaftsräte sind somit ein Gegenmittel für den zunehmenden Vertrauensverlust in die Demokratie.
Die – am Protest beteiligte – 18-jährige Stuttgarter Schülerin Maria Braun sieht das als Chance: „Wenn in Klimafragen Parteien und Politiker*innen die Einzigen bleiben, die politische Entscheidungen treffen dürfen, stoßen diese in der Bevölkerung eher auf Misstrauen. Diese Entscheidungen haben außerordentliche,weitreichende Auswirkungen und bestimmen, in welcher Zukunft wir leben werden. Hierbei die Bevölkerung außen vorzulassen, wäre fatal und eine vertane Chance.“
In den letzten Wochen war der 22-jährige Student Daniel Eckert aus Karlsruhe vermehrt auf Sylt für mehr Klimagerechtigkeit unterwegs. „Was uns der Stuttgarter Bürger*innenrat eben gut zeigt, ist, dass die Bürger*innen gewillt sind, auf diesem Wege unser aller Zukunft mitzugestalten“, erklärte er. „Darum fordere ich Olaf Scholz auf, ebenfalls Mut zu fassen und einen Gesellschaftsrat einzuberufen.“
Die Bundesregierung hat sogar bereits gezeigt, dass sie gewillt ist, diese Form der gelebten Demokratie einzusetzen. Doch leider wurde beim Beschluss des ersten – von der Bundesregierung angekündigten – Bürgerrats die Chance verpasst, ihn zu einem Gesellschaftsrat Klima zu machen.
Ein Gesellschaftsrat unterscheidet sich insofern von einem Bürgerrat, dass alle seine Arbeitsschritte medial begleitet werden und somit für die Öffentlichkeit jederzeit nachvollziehbar sind. Die Bundesregierung wäre verpflichtet, klar zu kommunizieren, wie sie die Empfehlungen des Gesellschaftsrats umsetzt. Dessen Ziel muss es sein, die Frage zu beantworten, wie Deutschland bis 2030 sozial gerecht aus der Nutzung fossiler Rohstoffe aussteigen kann.
Neben Daniel sind weitere Menschen an den Protesten in Stuttgart beteiligt, die in den letzten Wochen unter anderem auf Sylt auf das Versagen der Bundesregierung hingewiesen haben, den Superreichen Grenzen zu setzen. Sie stehen für Fragen bereit.
* pm: Letzte Generation Marburg