Ausdiskutierte Einsichten: Trauer um Hans Schauer

Erkenntnisdrang und Wissensdurst waren seine Triebfedern. Psychologie, Philosophie, Politik und praktischer Pazifismus haben Prof. Dr. Hans Schauer zeitlebens interessiert.

Geboren wurde Hans Schauer am 24. Dezember 1928 in Kassel. Gestorben ist der Psychologe am
. Juni) in Marburg. In der Friedhofskapelle am unteren Rotenberg hat am Freitag (30. Juni) eine bewegende Trauerfeier für den Aufklärer, Humanisten und Menschenfreund stattgefunden.
Die weltlich-humanistische Trauerrede hat der Marburger Philosoph Dr. Dr. Joachim Kahl gehalten. Ihn verband eine langjährige persönliche Freundschaft mit dem Verstorbenen. Beide teilten ihr philosophisches Interesse an religionskritischen Debatten und einem weltlichen Humanismus.
Geprägt war Schauer vom Zweiten Weltkrieg und seinem Einsatz als Luftwaffenhelfer in jugendlichem Alter. Nach kurzer englischer Kriegsgefangenschaft kehrte er noch 1945 wieder nach Deutschland zurück, wo er 1947 das Abitur ablegte. Danach arbeitete er als Laborant bei einem Tierpsychologen in Heidelberg.
Schon im Studium stellte sich Schauer breit auf. Neben Zoologie und Botanik studierte er auch Chemie und Physik, bevor er sich schließlich der Psychologie zuwandte. 1953 schloss er sein Psychologiestudium in Göttingen mit dem Diplom ab
Neben seiner Tätigkeit als Klinischer Psychologe beteiligte sich Schauer in Göttingen, Köln, Bremen und Heidelberg auch an Forschungsprojekten. Mit einer – im Schwerpunkt sprachanalytischen – Arbeitüber „Die Indikationsstellung in der psychologisch begründbaren Einzelfallhilfe“ wurde er 1966 promoviert. 1967 übernahm er Lehrverpflichtungen in den Bereichen Klinische Psychologie und Tiefenpsychologie am Psychologischen Institut der Philipps-Universität.
1972 wurde Schauer zum Professor ernannt. Nach seiner Pensionierung 1994 befasste er sich verstärkt mit philosophischen Fragestellungen und insbesondere der Monotheismuskritik. In dem Anspruch auf den Glauben an einen einzigen „wahren“ Gott sah Schauer die Wurzel für Intoleranz und Kriege im Namen der Religion.
In zahlreichen Vorträgen – beispielsweise für die Humanistische Union (HU) – legte Schauer den Teilnehmenden seine Positionen dar und stellte sie zur Diskussion. Dabei trat er immer als Lernender auf, der den Aussagen der Anderen zuhörte und sie nach Möglichkeit in seine eigenen Überlegungen mit aufnahm. Erkenntnisgewinn war ihm immer wichtiger als Rechthaberei.
Einer seiner Hausgeister war der Philosoph Michel de Montaigne. Wie dieser Skeptiker war auch Schauer immer bestrebt, seine durchaus kreativen Gedanken kurz und verständlich darzulegen und sich mit Kritik daran inhaltlich auseinanderzusetzen. Montaigne verdankt die Nachwelt Form und Begriff der sogenannten „Essays“.
Zum Glockenläugen und dem Ruf des Muezzins schlug Schauer Ende 1997 vor, das Geläut auf wenige besondere Feiertage zu beschränken. Zugleich sollten auch Muslime an besonderen Feiertagen vom Ruf des Muezzins in die Moschee gelockt werden. Als Nachbar der katholischen Kirche St. Peter und Paul war der Psychologe stark genervt vom allsonntäglichen Glockengeläut bereits zu früher Stunde.
Später ließ Schauers Hörvermögen auf dem rechten Ohr stark nach. Unverdrossen ging er daraufhin auf der Uferstraße spazieren in Richtung Norden, während er den Rückweg wegen des Lärms der Stadtautobahn lieber durch den Alten Botanischen Garten nahm. „Ich bin gut konditioniert für die Industriegesellschaft, weil ich bei Lärm immer nur den Kopf wegdrehen muss“, scherzte er.
Die letzten Lebensjahre verbrachte der hochbetagte Psychologe in einer Seniorenresidenz. Zuvor hatte er seine Wohnung jahrelang mit Studentinnen und Studenten geteilt, mit denen er in einer Art Wohngemeinschaft zusammenlebte. Vor allem der Kontakt zu jungen Leuten und sein Interesse an Menschen haben Schauer bis ins hohe Alter hinein jung gehalten.

* Franz-Josef Hanke

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