Der Umzug des Tourismusbüros in ein nicht-barrierefreies Gebäude ist ein enormer Rückschritt in Sachen Barrierefreiheit. Dagegen protestiert der Behindertenbeirat der Stadt Marburg.
Seine Stellungnahme zum Umzug der MSLT hat der Behindertenbeirat an den Magistrat der Stadt und den Kreisausschuß gesandt. Der Umzug des Tourismus-Büros (mit angeschlossenem Ticketshop) der „Marburg Stadt und Land Tourismus GmbH““ (MSLT) aus den barrierefreien Räumlichkeiten im Erwin-Piscator-Haus (EPH) in bislang unzugängliche Räume im Haus Bahnhofstraße 25 bedeutet einen eklatanten Rückschritt in Sachen Barrierefreiheit. Die neuen Räume können nur durch Treppenstufen erreicht werden und sind somit nicht barrierefrei zugänglich.
Es soll zwar eine „Hubschwenkanlage“ vor der Treppe installiert werden, mit der ein Rollstuhl bis zur obersten Stufe angehoben werden kann, aber der Umzug wurde bereits vollzogen, bevor die Funktionsfähigkeit einer solchen Anlage endgültig geklärt werden konnte. Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, können solche Anlagen nicht eigenständig bedienen und sind stets auf Unterstützung durch Dritte angewiesen.
Der Behindertenbeirat protestiert gegen die Entscheidung, die Tourismus-Info in ein unzugängliches Gebäude zu verlegen, zumal er erst nach der Umzugsentscheidung informiert wurde. Die „MSLT“ wird vom Landkreis Marburg-Biedenkopf und der Universitätsstadt Marburg als Gesellschafter getragen. Daher richtet sich die Kritik des Behindertenbeiratsgleichermaßen an den Magistrat der Stadt Marburg, den Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf sowie an die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat der „MSLT“.
Die vorgebrachten Argumente für die Aufgabe des Standorts im EPH, wonach es in der zentral gelegenen Wettergasse 6 nach wie vor ein innenstadtnahes Tourismusbüro gäbe, können aus Sicht des Behindertenbeirats nicht überzeugen. Das Tourismusbüro in der Marburger Oberstadt ist von Rolli-Fahrer*innen wegen der Steigung und der Treppe vor dem Eingang bislang ebenfalls nicht barrierefrei erreichbar.
Hier wurden zwar Baumaßnahmen in Aussicht gestellt, aber derzeit sind beide Standorte – Oberstadt und der neue Standort am Bahnhofsvorplatz – in ihrem jetzigen Zustand nicht einmal als „barrierearm“ zu bezeichnen. Umso unverständlicher ist es, weshalb – ohne vorher angemessenen Ersatz geschaffen zu haben – der barrierefreie Standort im EPH aufgegeben wurde.
Dieser aktuelle Zustand widerspricht der UN-Behindertenrechtskonvention und dem §4 des Bundesgleichstellungsgesetzes, in dem gefordert wird, dass Räume von behinderten Menschen „in gleicher Weise“ nutzbar sein sollen. „Barrierefrei“ bedeutet, dass alle Menschen – auch Menschen mit Behinderungen – eigenständig und ohne fremde Hilfe in ein öffentliches Gebäude gelangen können und die gleichen Angebote am gleichen Ort nutzen können wie alle übrigen Nutzer*innen auch. Diesem Anspruch werden die beiden Standorte der „MSLT“ (bislang) nicht gerecht.
Nicht nur für Rolli-Fahrenden, sondern auch für ältere Menschen und Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen werden die neuen Räumlichkeiten eine Barriere darstellen. Das sei „keine gute Visitenkarte für die Region und die Universitätsstadt Marburg“. Derartige Rückschritte sind für die Stadt Marburg, die sich eigentlich ihrem Anspruch nach der Inklusion verschrieben hat, unwürdig und aus Sicht des Behindertenbeirats enttäuschend.
Diese Entscheidung zeigt leider, dass Barrierefreiheit – sogar in Marburg und im Landkreis Marburg-Biedenkopf – noch immer nicht automatisch mitgedacht wird. „Wir waren eigentlich der Überzeugung, dass wir in Marburg, aufgrund der jahrelangen und vertrauensvollen Zusammenarbeit, schon weiter wären“, erklärte der Behindertenbeirat. „Daher appellieren wir nachdrücklich an die „MSLT“, den Landkreis und die Stadt, sich für „echte barrierefreie“ Lösungen und Standorte einzusetzen und vorerst zumindest den in Aussicht gestellten, barrierefrei zugänglichen Ticketverkauf, zeitnah zu realisieren.“
* pm: Behindertenbeirat der Stadt Marburg
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