Besondere Besinnung: Fuchs hält Christian-Wolff-Vorlesung über KI

Wie KI-Technologien das Menschenbild herausfordern, erklärt Prof. Dr. Thomas Fuchs. Der Philosoph hält die Christian-Wolff-Vorlesung 2023.

„Was wird aus dem Menschen?“ Aus dieser grundlegenden Frage, die angesichts der rasanten technologischen Entwicklung im Bereich der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ (KI) immer drängender wird, leitet Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs sein Plädoyer für einen neuen Humanismus ab. Der renommierte Heidelberger Psychologe und Psychiater ist Festredner der Christian-Wolff-Vorlesung 2023 der Philipps-Universität.
Sein Vortrag findet am Montag (12. Juni) um 20 Uhr in der Aula der Alten Universität am Lahntor statt. „Die gegenwärtige Sicht des Menschen auf sich selbst ist gekennzeichnet von einer tiefen Ambivalenz“, erklärte Fuchs. „Einerseits misst sich der Mensch die gottgleiche Macht zu, künstliche Intelligenz, künstliches Leben oder sogar Bewusstsein zu erzeugen; auf der anderen Seite jedoch steht ein tiefer Pessimismus.“
In der Ankündigung seines Vortrags zeichnet er die Entwicklung dieser Ambivalenz seit der Neuzeit nach. Fuchsführt sie zurück auf ein Schwanken zwischen Allmachts- und Ohnmachtsgefühlen, dem letztlich ein kollektiver Narzissmus zugrunde liegt.
Fuchs ist seit 2010 Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Heidelberg. In zahlreichen Debattenbeiträgen äußert er sich zu den Möglichkeiten menschlicher Integrität angesichts erheblicher technischer, gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen. Seine Bemühungen um einen Humanismus unter heutigen Bedingungen wurden jüngst durch den Erich-Fromm-Preis gewürdigt.
„Wir versuchen, eine innere Leere zu kompensieren, indem wir durch die Spiegelung unserer selbst in anthropomorphen Maschinen, in digitaler Intelligenz und in virtuellen Bildern ein ideales Selbstbild erschaffen“, meinte Fuchs. „Dies führt jedoch zu einem paradoxen Resultat: Zunehmend glauben wir an die Überlegenheit unserer eigenen künstlichen Geschöpfe, beginnen uns unseres Daseins als Wesen aus Fleisch und Blut zu schämen, und die Selbstüberhöhung schlägt am Ende in Selbsterniedrigung um.“
Daher plädiert er in seinem Vortrag für einen neuen Humanismus. Die Vorlesung wendet sich an Wissenschaftler*innen, Philosoph*innen und die interessierte Öffentlichkeit.
Die – weit über die Grenzen Marburgs hinaus bekannte – Vorlesungsreihe ist nach Christian Wolff benannt, der 1723 bis 1740 an der Philipps-Universität Philosophie lehrte und neben Gottfried Wilhelm Leibniz der bedeutendste Philosoph der frühen Aufklärung in Deutschland war. Wolff gab der Philosophie in Marburg ein an Wissenschaft und Vernunft orientiertes Profil, das sich im Neukantianismus fortsetzte und auch heute das Selbstverständnis des Fachs Philosophie an der Philipps-Universität prägt.
Die Vorlesungsreihe wurde 1999 ins Leben gerufen. Die Vorträge sind den Ideen der Philosophie der Aufklärung und ihren Fortführungen in aktuellen Debatten verpflichtet.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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