Der Negativpreis „Herz aus Stein“ geht an die Philipps-Universität. Das hat der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ am Donnerstag (9. März) mitgeteilt.
Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vergibt das „Herz aus Stein“ an die Arbeitsgruppe Neurophysik der Philipps-Universität für Versuche bei denen durstige Rhesusaffen mit angeschraubtem Kopf in einem Primatenstuhl sitzen mussten, während sie auf einen Bildschirm starrten, auf dem sich Punkte hin und her bewegten. Der bundesweite Verein will mit dem Negativpreis exemplarisch auf grausame und absurde Tierversuche aufmerksam machen, die in Deutschland durchgeführt wurden. Bei der öffentlichen Online-Abstimmung standen fünf Kandidaten zur Auswahl.
Sie wurden aus der „Datenbank-Tierversuche“ des Vereins ausgewählt, in der Tausende, auf Artikeln in Fachjournalen beruhende Tierversuchsbeschreibungen gelistet sind. Die Verleihung erfolgt virtuell.
Forscher der Arbeitsgruppe Neurophysik der Philipps-Universität montierten am Schädel zweier – als „O“ und „S“ bezeichneter – Rhesusaffen „Kopfhaltersysteme“. Bei „O“ wurde zusätzlich ein Loch in den Schädel gebohrt und darüber eine Messkammer befestigt, die in weiteren Versuchen genutzt werden soll, um Elektroden in das Gehirn zu stoßen. Den Tieren wurden dann Kappen mit Elektroden auf den Kopf gesetzt.
Bei den Versuchen mussten die Tiere mit über das Kopfhaltersystem fixiertem Kopf in einem sogenannten „Primatenstuhl“ sitzen. Ihre Aufgabe bestand darin, einen kleinen roten Punkt auf einem Bildschirm anzustarren, auf dem sich 600 weiße Punkte hin und her bewegten. Wenn die Tiere alles richtig gemacht haben, erhielten die durch Durst zur Mitarbeit veranlassten Affen etwas Flüssigkeit als „Belohnung“.
Laut der zugehörigen Veröffentlichung war das Ziel der Versuche, zu untersuchen, wie das Gehirn eine – durch sich hin und her bewegenden Punkte simulierte – Eigenbewegung verarbeitet. Nach Angaben der Autoren ist dieser Prozess beim Menschen bereits bekannt und auch in der entsprechenden Studie wurden neben Experimenten an Affen auch Versuche mit menschlichen Freiwilligen durchgeführt, bei denen auf eine Fixierung des Kopfes ebenso wie auf den Flüssigkeitsentzug verzichtet werden konnte.
„Wozu diese Versuche an Affen durchgeführt wurden, wenn entsprechende Erkenntnisse bereits vorliegen und ganz offensichtlich auch Versuche mit freiwilligen menschlichen Probanden möglich sind, erschließt sich nicht“, kritisierte Dr. Johanna Walter. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche.
Einer aktuellen Stellungnahme der Philipps-Universität zufolge habe die Arbeit der AG Neurophysik zur Entwicklung eines Retinaimplantats (Sehprothese) beigetragen. „Ein solches Projekt zur Entwicklung von Retinaimplantaten wurde allerdings 2007 beendet und die Implantate wurden bereits 2008 am Menschen getestet“, widersprach Walter.
So wird auch in der Pressemitteilung der Philipps-Universität der – nun mit dem „Herz aus Stein“ ausgezeichnete – Versuch der Grundlagenforschung zugeordnet. Das sei „ein Bereich, der per Definition keinen konkreten Nutzen verfolgen muss“, kritisierte Walter. „Stattdessen werden im Namen des Erkenntnisgewinns selbst grausamste Tierversuche durchgeführt und mit einem sich möglicherweise in ferner Zukunft ergebenden Anwendungsbezug gerechtfertigt. Zudem zeigt der Versuch einmal mehr, wie Affen für die Hirnforschung leiden und mehrfach in verschiedenen Versuchen eingesetzt werden. Dies erinnert an das Schicksal des Affen Jara, dessen Autopsie-Befunde wir im Oktober veröffentlicht haben.“
Interessierte konnten in einer Online-Abstimmung eine Woche lang aus 5 Kandidaten auswählen. Von 6.286 Stimmen entfielen 1.832 und damit 29 Prozent auf Marburg. Zur Auswahl standen außerdem Tierversuche aus Münster, Duisburg-Essen, Rostock und Bayreuth.
Die Versuchsbeschreibungen sind der öffentlichen Datenbank des Vereins entnommen, worin derzeit über 5.300 Beschreibungen von in Fachzeitschriften veröffentlichten Tierversuchen aus Deutschland dokumentiert sind. Ausführliche Beschreibungen der Kandidaten mit Angabe der Originalquellen finden sich auf der Aktions-Webseite. Der Verein betont, dass es sich beiden Kandidaten um Institute handelt und nicht um einzelne Personen.
Affenhirnforschung findet bundesweit an 8 Einrichtungen statt. Interessierte sind aufgerufen, sich auf den Vereinsseiten zu informieren und eine Online-Petition zum Stopp der Hirnforschung an Affen zu unterschreiben.
* pm: Ärzte gegen Tierversuche, Köln
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