„Ausgerechnet der Mensch ist unmenschlich“, stellt der Verfasser des „Traktats zur Verbesserung der Welt“ resigniert fest. „Der Weltverbesserer“ von Thomas Bernhard feierte am Samstag (9. September) Premiere im Theater am Schwanhof.
Der berühmte Denker sitzt in seinem Sessel. An allem nörgelt er bösartig herum. Immer wieder ändert er seine Anweisungen an seine Lebensgefährtin.
Seine Launen lässt er in geradezu sadistischer Weise an ihr aus. Hässlich sei sie; aber nach 20 Jahren kämen beide nicht mehr voneinander los, schränkt er seine Feststellung dann doch ein.
Nun erwartet er die Vertreter der Universität und den Bürgermeister. Da er wegen seiner Krankheiten nicht in die Universität gehen kann, wollen sie ihm die Ehrendoktorwürde daheim in seinem Zimmer verleihen. Das sei einmalig, stellt der Geehrte voller Genugtuung fest.
Erhalten soll er die Auszeichnung für seinen Traktat. In 38 Sprachen wurde das Werk bereits übersetzt. Doch verstanden hat diese Schrift wohl niemand.
Lange zieht sich der Morgen hin. Immer wieder ändert der Mann im Sessel seine Wünsche und scheucht seine Lebensgefährtin herum.
Schließlich kommen die Herren zur Feier der Ehrenpromotion. Über den Traktat werde selbst in Japan diskutiert, erklärt der Dekan. Allerdings sei es gut, dass ihn die meisten Menschen gar nicht verstünden.
Die Vertreter der Hochschule heben die Bedeutung des Traktats für die weltweite wissenschaftliche Debatte hervor. Doch der Geehrte bezweifelt, dass sie seine Schrift verstanden haben. Schließlich erklärt er darin, dass die Verbesserung einzig in der Abschaffung der Welt bestehe.
„Diejenigen, die ausgelöscht werden sollen, feiern und bewundern so eine Schrift, die ihren eigenen Tod fordert“, stellt er belustigt fest. „Eine Komödie, haben wir geglaubt, aber es ist doch eine Tragödie; nach und nach wird in diesen Mauern, eine Tragödie gespielt.“
In seine überspitzte Darstellung des besserwisserischen Haustyranns streut Bernhard immer wieder satirische Sätze über Politiker, Wissenschaftler und den Zustand der Welt ein. Den Kanzler, der ihm zur Feier der Ehrenpromotion Rosen geschickt hat, nimmt er nicht ernst, weil der sein Amt bald sowieso an einen anderen abgeben wird, der allerdings auch nichts wesentlich anders machen wird. Die Wissenschaftler tun so, als hätten sie verstanden; aber ihr Wissen entpuppt sich bei näherer Betrachtung als aufgeblasene Fassade.
Seine messerscharfe Kritik an Politik und Wissenschaft hat Bernhard mit viel schwarzem Humor garniert. Dazwischen zeigt er den Haustürann in seiner selbstzentrierten Launenhaftigkeit als unerträglichen Sadisten, der seine Hilflosigkeit genießt und gnadenlos auskostet.
Bernhardss Stück hat der Regisseur Arnim Beutel sehr gekonnt auf die Bühne des Theaters am Schwanhof gebracht. In der Rolle der unterdrückten Lebensgefährtin überzeugte Insa Jebens ebenso wie Daniel Sempf als Universitätsdekan. und die weiteren Mitspieler
Geradezu genial jedoch war Jürgen Helmut Keuchel in der Titelrolle. Er schrie, lockte seine Lebensgefährtin flehentlich, machte sich lustig oder verächtlich über sie und die Welt und fand immer den treffenden Ton für Nörgelei und Kritik. Dabei saß er die allermeiste Zeit im Sessel und monologisierte vor sich hin.
Zu Recht erhielten Keuchel und Jebens am Ende minutenlangen Applaus des Publikums. Angesichts des wahrscheinlichen Einzugs rechtspopulistischer Politiker in den Deutschen Bundestag hat Bernhards Bühnenstück wieder an bedrohlicher Brisanz und Aktualität gewonnen. Wen schwarzer Humor und Satire sowie messerscharfe Misanthropie nicht abschrecken, dem dürfte „Der Weltverbesserer“ zu mancherleich Einsicht und Erheiterung verhelfen.
* Franz-Josef Hanke