Leitlinien fürs Bauen sollen die Klimaneutralität in der Stadtentwicklung fördern. Sie liegen am Freitag (30. September) der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vor.
Die Universitätsstadt Marburg hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Um das zu erreichen, muss der Klimaschutz in vielfältigen Bereichen immer mitgedacht werden. Das gilt insbesondere für den Bereich der Stadtplanung.
Die Stadt hat daher Leitlinien für klimaneutrales und sozialverträgliches Bauen und für eine klimaneutrale und klimawandelangepasste Flächennutzung entwickelt. „Mit dem Bauen von Gebäuden und dem Heizen von Wohnraum wird sehr viel CO2 produziert“, erklärte Stadtrat Dr. Michael Kopatz. „Wenn wir den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung umsetzen und bis 2030 klimaneutrale Stadt sein wollen, dann müssen wir deshalb Flächennutzungen und das Bauen in Marburg besonders in den Blick nehmen.“
Kopatzist Dezernent für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität. „Wir werden insbesondere im Bereich der Bauleitplanung Aspekte sozialverträglicher Wohnraumschaffung mit den Anforderungen an den Klimaschutz zusammen denken und umsetzen.“, kündigte Kopatz an.
Aus diesem Anspruch heraus hat die Stadt Marburg „Leitlinien zum klimaneutralen und sozialverträglichen Bauen sowie klimaneutrale und klimawandelangepasste Flächennutzung“ entwickelt. In den vergangenen Monaten hat die Stadt dazu verschiedene Fachexpert*innen und die Ortsbeiräte informell beteiligt und deren Ergänzungen und Anmerkungen gesammelt.
„Wir haben eine Vielzahl an Stellungnahmen bekommen und zahlreiche Hinweise in die Leitlinien eingearbeitet“, berichtete Stadtplanerin Manuela Klug. „Das zeigt, wie groß das gesamtgesellschaftliche Interesse und wie dringlich die Umsetzung von klimaangepassten Maßnahmen ist.“
„Sanierung geht vor Neubau“, heißt es in den Leitlinien – das soll sowohl für die Stadtverwaltung selbst als auch für andere Akteure gelten. Eine Abrisssanierung wäre daher nur noch in Ausnahmefällen ermöglicht.
Außerdem sollen im Rahmen von Kaufverträgen und städtebaulichen Verträgen Vorgaben für Neubauprojekte und Umbauvorhaben gemacht werden können. Das gilt etwa für die Verwendung von nachwachsenden, regionalen, nachhaltigen Rohstoffen wie Kalk, Lehm und Holz und die Verwendung von Materialen, die CO2 binden – Holz soll dabei aus zertifizierter, nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. Und wer ein Gebäude zurückbaut oder Aushub hat, soll diese Rohstoffe möglichst im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wiederverwenden.
Außerdem sehen die Leitlinien im Bereich der Energieeffizienz vor, dass bei Fördermaßnahmen auch die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt werden soll. Das betrifft nicht nur den Energieverbrauch bei Nutzung, sondern auch bei Bau, Unterhaltung und Entsorgung. Bis 2030 sollen Häuser zudem den energetischen Standard-Vorgaben für ein Nullenergiehaus beziehungsweise Plusenergiehaus entsprechen.
Weitere Leitlinien für städtebauliche Projekte und Bauvorhaben sind etwa die Verwendung von hellen Materialien und Farben bei Gebäuden und Freiflächen zur Vermeidung von Überhitzung und Schutz vor intensiver Sonne durch Verschattungen oder innenliegende Balkone. Außerdem soll Regenwasser verstärkt genutzt werden beispielsweise über den Bau von Zisternen und die Nutzung von Regenwasser für die Toilettenspülung.
Ebenfalls ein Punkt in den Leitlinien ist die klimaneutrale Nutzung von Flächen. Das heißt etwa, dass der Flächenverbrauch pro Person reduziert werden sollte über eine effiziente aber bedürfnisorientierte Nutzung von Wohnraum – so solle die Priorität auf dem Bau von Mehrfamilienhäusern liegen und auf der Nutzung von Baulücken und anderen Potentialen im bereits bebauten Bereich.
Wichtig ist dabei aber auch die Förderung von gemeinschaftlichem Wohnen. Zur klimaneutralen Flächennutzung gehören aber auch Grünflächen, Dach- und Fassadenbegrünungen. Sie helfen beim Erhalt der Artenvielfalt, binden CO2 und Wasser und sind zugleich Hitzeschutz.
Mit der Entsiegelung von Flächen und dem Anlegen von Versickerungsmulden, Feuchtbiotopen, Tiefbeeten, Retentionsgründächern oder wasserdurchlässigen Belägen wird zudem der Schutz bei Starkregen erhöht. Bäume spenden Schatten und sorgen für eine bessere Luftqualität.
Zur begrünten Stadt gehört aber auch das urbane Gärtnern, das die Stadt gemäß den neuen Leitlinien weiter fördern will. Das sorgt für Biodiversität und leistet einen Beitrag zur Selbstversorgung.
Auch soziale Aspekte sind ein wichtiger Punkt in den Leitlinien zum Bauen in Marburg. So soll sich die Quote für Sozialwohnungen bei Neubauprojekten auf 30 Prozent erhöhen. Außerdem gilt es, lebendige Stadtquartiere und Quartiersläden zu ermöglichen.
Flächen für frei finanzierten Wohnungsbau können zudem über entsprechende Konzepte vergeben werden. Das gilt beispielsweise für generationenübergreifendes Wohnen.
Zur Stabilisierung der Miethöhen und Baukosten sollen geeignete Förderinstrumente als Investitionsanreize für die Eigentümer und Vermietenden geprüft werden. Eine sozialverträgliche Förderung soll eine soziale Benachteiligung vermeiden.
Die Leitlinien sind eine Konkretisierung des Klimaaktionsplans 2030 in den Handlungsfeldern „Klimaneutrale, lokale Energieerzeugung, klimaneutral und sozialverträgliches Bauen und Modernisieren“ und „Klimaneutrale Flächennutzung“. Fachexpert*innen wurden vorab beteiligt, das Papier im Ausschuss für Stadtentwicklung, Planen und Bauen diskutiert – bevor es nun in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) am Freitag (30. September) auf der Tagesordnung sein wird.
* pm: Stadt Marburg