Mehr als 100 Bars, Cafés, Gaststätten, Kneipen und Restaurants gibt es in Marburg. Immer wieder entstehen neue, wärend alte und mitunter auch sehr bekannte Lokale für immer schließen.
Meine ganz persönlichen Erinnerungen an sieben legendäre Lokale in Marburg habe ich seit Sonntag (17. Juli) in einer kleinen Serie auf marburg.news vorgestellt. Das wohl berühmteste Gasthaus Marburgs aber habe ich selber nicht mehr kennengelernt. Das „Wirtshaus an der Lahn musste nämlich schon Ende der 60er Jahre dem Bau der Konrad-Adenauer-Brücke über die neue Stadtautobahn weichen.
An seiner Stelle erhebt sich seit 1970 der sogenannte „Affenfelsen“.Diesen Namen hat das Gebäude an der Gisselberger Straße wohl wegen seiner Form erhalten. Der Volksmund verglich den Neubau vor 50 Jahren mit dem berühmten „Affenfelsen“ der britischen Kronkolonie Gibraltar.
In einem bekannten Studentenlied besang dieser Volksmund bereits 100 Jahre vorher nicht nur das legendäre Restaurant am Lahnufer, sondern auch seine fesche Wirtin. Offenbar hat sie die Phantasie vieler junger Männer mächtig angeregt. Unter den zahlreichen Strophen gab es nicht nur Spottverse, sondern durchaus auch einige schlüpfrige Anspielungen auf erotische Phantasien der Verbindungsstudenten.
„Das Wirtshaus an der Lahn“ war aber nicht nur Gegenstand sangesfreudiger Studentenverbindungen, sondern auch Thema einer Theater-Trilogie von Willi Schmidt. Der Bühnenautor aus dem Ebsdorfergrund beschrieb in gleich drei Volkstheaterstücken das lebendige Treiben in dem legendären Wirtshaus mit Biergarten am Lahnufer. Ein viertes Stück widmete er anschließend dem danach auf dem gleichen Grundstück errichteten Affenfelsen.
Eigentlich trug das Marburger Wirtshaus den Namen „Gasthof zum Schützenpfuhl“. Nicht zuletzt auch deswegen erheben mehrere Lokale in anderen Ortschaften entlang der Lahn den Anspruch, das „wahre Wirtshaus an der Lahn“ zu beherbergen. Insbesondere gilt das für Lahnstein nahe bei der Einmündung der Lahn in den Rhein.
Bereits vor 1840 gab es ein Spottlied über „ein Wirtshaus am Rhein“. Dieses Volkslied dürfte vermutlich den Anstoß für dasjenige über das“Wirtshaus an der Lahn“ geliefert haben. Beißender Spott und deftige Zoten machten die Lahn-Version dann jedoch weitaus bekannter als die Ursprungsfassung.
Vielleicht mögen die ersten Verse über die „Frau Wirtin“ ja wirklich ein Gasthaus in Lahnstein gemeint haben. Aber im Gegensatz zu Marburg besaß Lahnstein keine Universität. Nur in einer Universitätsstadt mit sangesfreudigen Burschenschaften konnten derart zotige Verse en Masse entstehen und die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte überdauern. Jedenfalls war und bleibt der „Gasthof zum Schützenpfuhl“ an der Gisselberger Straße zumindest für Marburg das legendäre „Wirtshaus an der Lahn“.
* Franz-Josef Hanke
Pingback: Kultur 2022: 1222, Stadtautobahn, Rudolphsplatz, Momo und Wollnashorn – marburg.news