Zukunftsschaden: Nachhaltige Ernährungsstrategie für Marburg

Der Ernährungsrat und die „Gesunde Stadt Marburg“ stellen Konzepte vor. Gemeinsam wollen sie die Zukunft des Essens in Marburg gestalten.
Wie kann Ernährung bewusster, gesünder und nachhaltiger gestaltet werden? Und wie kann eine kommunale Ernährungsstrategie aussehen? Damit haben sich die Stadt Marburg und der „Ernährungsrat Marburg und Umgebung“ (EMU) bei einer Veranstaltung zum Thema „Die Zukunft des Essens in Marburg – Städte machen Ernährungspolitik“ beschäftigt.
Vertreterinnen und Vertreter des Ernährungsrats Köln sowie der Stadt Waldkirch brachten ihre Erfahrungen mit einer lokalen Ernährungspolitik und der Entwicklung einer Ernährungsstrategie mit nach Marburg und diskutierten mit den Besuchenden die Zukunft des Essens. Impulse für eine kommunale Ernährungspolitik erhoffte sich davon Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies: „Essen ist mehr als die Zufuhr von Ernährungsbausteinen, Essen ist ein zentraler Bestandteil von Lebensqualität.“
Essen sei zudem ein Bereich, bei dem man die Menschen mit Regeln und Vorschriften nicht erreiche. „Wir müssen sie also dafür gewinnen, sich mit dem Thema bewusster auseinanderzusetzen und Verantwortung für sich selbst und darüber hinaus für Umwelt und Natur zu übernehmen“, erklärte Spies.
Der Ernährungsrat Marburg und Umgebung hat für das Stadtjubiläum bereits eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf die Beine gestellt, zu denen auch Erzählcafés in den Stadtteilen gehörten. Zum Jubiläumschwerpunkt „Marburg erfinden“ stand nun der Austausch über Ideen für die Zukunft im Mittelpunkt. „Wir wollen die Zukunft in die Gegenwart holen“, lautete der Ansatz für die Frage, wie die Ernährung in der Stadt nachhaltig gestaltet werden kann.
Der EMU berichtete von einer Exkursion mit dem Deutsch-Französischen Zukunftswerk, bei der das Thema Ernährung im Mittelpunkt stand. Ann-Marie Weber erzählte, wie die südfranzösische Gemeinde Mouans-Sartoux Ernährungssouveränität erreicht und dabei alle Menschen mitgenommen hat. Inzwischen werden in der Schulkantine des Orts ausschließlich regional erzeugte Bio-Lebensmittel verarbeitet, wobei der Großteil davon in einem kommunalen Landwirtschaftsbetrieb erzeugt wurde.
Tanja Neuschild stellte die Projekte vor, die der EMU im Rahmen des Arbeitskreises „Lebensmittelpunkt“ für Wehrda erarbeitet hat mit dem ehrgeizigen Ziel, bis 2030 dort ebenfalls Ernährungssouveränität zu erreichen. Detlev Kulse vom Dezernat Planen, Bauen, Umwelt der Stadt Waldkirch und Anja Thome vom dortigen Fachdienst Stadtentwicklung gaben Einblicke, wie Waldkirch als eine von zwei Modellkommunen des Forschungsprojekts „Kernig – Kommunale Ernährungssysteme als Schlüssel zu einer umfassend-integrativen Nachhaltigkeits-Governance“ das Thema Ernährung als wichtigen Aspekt des Klimaschutzkonzepts aufgearbeitet hat.
Die Zusammenhänge von Produktion, Verarbeitung und Zubereitung von Lebensmitteln sowie der Konsum und die Entsorgung vor Ort waren Gegenstand der Untersuchungen. Daraus entstanden sind Projekte wie die „Essbare Stadt“, eine Urban-Gardening-Bewegung, Projekte mit Kitas, Schulen und Familien sowie Mitmach-Gärten.
Die Stadt Köln hat mit breiter Beteiligung der Bevölkerung die Strategie „Vom Feld bis zum Teller“ mit Zielen hinterlegt und dabei auch die Themen Klimawandel und Ressourcenschonung aufgegriffen. Florian Sandervom Ernährungsrat Köln erläuterte den mehrjährigen Prozess zur Entwicklung einer Ernährungsstrategie, bei dem die Stadtverwaltung von Anfang an mit im Boot war.
Nach Bestandsaufnahme folgte eine Leitlinie für künftige politische Entscheidungen und die Entwicklung eines Aktionsplans. Voraussetzung für die Umsetzung sei die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Verwaltung, resümierte Sander.
Im Anschluss an die Impulsvorträge hatten die zahlreich erschienen Gäste der Veranstaltung die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Dabei wurden unter anderem Strategien, um Ernährungsgewohnheiten niedrigschwellig zu ändern, besprochen.
„Wir als Gesunde Stadt begleiten den Ernährungsrat“, betonte Susanne Hofmann vom Fachdienst Gesunde Stadt. Vieles sei auch schon umgesetzt.
So sei das Essen In den Kitas der Stadt regional beziehungsweise bio, auch Gartenprojekte seien bereits vorhanden. Sie wünsche sich nun einen intensiven Austausch und eine gute Vernetzung.
Der im Oktober 2020 gegründete „Ernährungsrat Marburg und Umgebung“ (EMU) ist ein Zusammenschluss von Akteur*innen aus Land- und Ernährungswirtschaft, von Lebensmittelhandwerk und Gastronomie, von alternativen Erzeugungs- und Handelsmodellen, von Initiativen aus der Stadt wie Urban Gardening oder Food Saving, von Bildung und Wissenschaft sowie von engagierten Bürger*innen und Verbraucher*innen. Ihr erklärtes Ziel: Gemeinsam mit Politik und Verwaltung den Wandel des lokalen Ernährungssystems gestalten.

* pm: Stadt Marburg

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