Über “ IKEK“ können Menschen jetzt einen Zuschuss für Sanierung, Um- und Neubau in Marburgs Dörfern beantragen. Damit möchte die Stadt alte Gebäude neu beleben.
Von der Scheune zum Wohnhaus: Diesen Wunsch hat sich der Ortsvorsteher von Ronhausen mittels IKEK-Förderung erfüllt. Noch bis Ende 2023 können alle, die ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Hofanlage in einem Außenstadtteil von Marburg haben, Zuschüsse für Sanierungen, Um- oder Neubauten beantragen. Uwe Rauch berichtet von seinem ganz persönlichen Prozess von der ersten Idee bis zum neuen Heim.
Lächelnd steht Rauch in seinem lichtdurchfluteten Wohnraum in dem Dorf in Marburgs Süden. Dass dies einmal eine Scheune gewesen ist, scheint schwer vorstellbar. Nur die alten Holzbalken mit den originalen Steckklammern aus Metall sowie die Sandsteinmauern, die im unteren Teil der Wohnzimmerwände noch zu sehen sind, sind noch Anzeichen davon, wie es früher in der Scheune ausgesehen hat.
„Ich wollte eine Mischung aus alt und modern“, erläuterte Rauch dazu. Die Scheune gehörte zum landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern. Links der Scheune waren die Getreidemühle und -lager. Rechts die Stallungen für Kühe und Schweine.
„Auf diesem Hof bin ich groß geworden“, sagte Rauch. „Mit diesem Ort verbinde ich viele Erinnerungen.“
Noch bis vor zehn Jahren lagen Heu und Stroh in dem Gebäude. Im Mai 2017 starteten dann die ersten Arbeiten, aber angefangen hat alles eigentlich noch viel früher.
Rauch ist in Ronhausen aufgewachsen. Viele Jahre war er unterwegs, bis er schließlich im Jahr 2013 zurück in seine Heimat kehrte.
„Den Gedanken, die Scheune in ein Wohnhaus umzubauen, hatte ich schon lange“, erinnerte er sich. Wie genau er das umsetzen könnte, wusste er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht.
Seit 2016 engagiert sich Rauch im Ortsbeirat Ronhausen, seit 2021 ist er Ortsvorsteher. Während einer der Ortsbeiratssitzungen erfuhr er von dem Dorfentwicklungskonzept „IKEK“ für die 15 Marburger Außenstadtteile, das 2014 startete.
Die Idee, die alte Scheune in ein Wohnhaus umzubauen, wurde real. „Als ich von IKEK erfuhr, war das der perfekte Zeitpunkt“, erläuterte Rauch. „Es passte einfach alles zusammen.“
So ging es 2016 auch schon mit der konkreten Planung los. Etwa drei Monate nahm der Planungsprozess in Anspruch. Wichtig sei seiner Erfahrung nach, sich von guten Architekt*innen beraten zu lassen.
Dabei können sich Förderantragsstellende eigene Architektinnen und Architekten suchen oder auf eines der vier Architekturbüros von IKEK zurückgreifen. Die Beratung ist für Antragsstellende unverbindlich und kostenlos. Interessierte sind eingeladen, sich für eine erste bauliche und fördertechnische Beratung an die Mitarbeitenden vom Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Stadt Marburg oder des Fachdienstes Kreisentwicklung des Landkreises Marburg-Biedenkopf zu wenden.
Der Austausch und die gemeinsame Planung waren für Rauch die wichtigsten Schritte im Prozess . Nur Experten wüssten realistisch einzuschätzen, was technisch überhaupt möglich ist, betonte Rauch. Schließlich seien beispielsweise Boden und Mauern einer Scheune nicht darauf ausgerichtet, als Wohnhaus genutzt zu werden.
Statik spiele dabei eine große Rolle, wenn der Bau am Ende nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen soll. Da die Scheune in ihren Grundmauern von 1859 ist, galt es natürlich auch den Denkmalschutz bei den Planungen mit einzubeziehen.
„Aus den Abstimmungen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Marburg entstand eine wirklich sehr schöne Zusammenarbeit“, berichtete Rauch. „Ich habe mich in meinen Ideen nie eingeschränkt gefühlt. Stattdessen ging es immer darum, wie man Dinge möglich machen und möglichst viel der Originalerscheinung erhalten kann.“
Rauch ergänzte: „Die Kommunikation mit der Stadt- und Kreisverwaltung empfand ich als durchweg konstruktiv.“ Sobald der Genehmigungsbescheid der Baumaßnahmen sowie der Förderbescheid von IKEK da sind, kann gestartet werden.
Auch die Planung wird gefördert. Wichtig sei immer, dass vor Beginn der Umsetzung der einzelnen handwerklichen und bautechnischen Arbeiten je drei Angebote von Bau- und Handwerksfirmen eingeholt und dem Fachteam Regionalentwicklung beim Landkreis zur Prüfung vorgelegt werden.
Los ging es im Mai 2017 erst einmal mit dem Abriss der Nebengebäude. „Das war ein riesen Spektakel mit Bagger und Kränen“, erinnerte sich Rauch. Dann ging es an die Scheune selbst heran.
Die Tenne im oberen Teil wurde entfernt. Ab August wurde der Lehmboden ausgeschachtet. Das Heizöllager wurde in das Wohnhaus versetzt, beschädigte Bauelemente entfernt und derlei Arbeiten erledigt.
Als nächstes wurden oben bereits die Bodenplatte aus Holz eingesetzt, die Wände verstärkt und die Versorgungsleitungen gelegt. Die Fußbodendeckung im Erdgeschoss wurde mit Schotter und Beton aufgebaut und die Wände ausgebaut.
Im Frühjahr 2018 war dann auch die mit Lärchenholz verschalte Außenfassade fertig. Das sei „ein echter Meilenstein“, findet Rauch, denn so war das Haus nun von außen gegen sämtliche Wettereinflüsse geschützt.
Der letzte Handschlag sei dann die Verlegung des Fußbodens gewesen. Im August 2018 war es dann soweit: Rauch bezog sein neues Eigenheim.
Einige Arbeiten standen dennoch an wie zum Beispiel die Pflasterung und die Terrasse. Im Sommer 2019 war dann alles fertig. Allerdings findet ein Hausbesitzer immer kleinere Projekte, um es sich noch heimeliger zu machen.
Nach insgesamt drei Jahren Umbauzeit ist Uwe Rauch um einige Erfahrungen reicher und teilt sein Wissen gerne mit künftigen Interessierten am Förderprogramm. Dabei betont er, dass eine gute Planung sowie die ständige Überprüfung und Berücksichtigung von Änderungen das A und O seien.
„Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass die Grundstruktur des Gebäudes bestimmt, was möglich ist“, riet Rauch. „Das heißt, bei einem solchen Projekt muss man den Fokus auf die Machbarkeit von Ideen legen.“
Es gehe darum zu nutzen, was die Struktur bereits hergibt. So ließ Rauch beispielsweise große Fensterfronten einsetzen, wo früher die Scheunentore waren. An anderen Stellen waren Kompromisse nötig.
Diese Kompromisse sind seiner Meinung nach immer noch besser als die Alternative, das Gebäude leer stehen und verfallen zu lassen. „Der Geist von IKEK ist es ja, alte Gebäude neu zu beleben“, sagte er. Dabei sei es wichtig, im Hinblick auf die Kosten mit einem Puffer für unvorhergesehene Dinge, wie zum Beispiel gestiegene Rohstoffpreise, zu kalkulieren.
„Ohne die Förderung von IKEK wäre dies alles nicht möglich gewesen“, betonte Rauch. „Ich hätte das nicht alleine stemmen können.“ Und sein letzter Tipp lautet: „Man muss beim Bau gelassen sein oder zumindest es versuchen.“
Neben Sanierungen, Um- und Neubauten fördert IKEK viele weitere Projekte, um die Dorfentwicklung voranzutreiben. So gibt es beispielsweise Praxisworkshops zu Arbeiten mit Lehm, Kalkputz oder Holz. Weitere Workshops sind in Vorbereitung.
Das „Digitale Bürgerhaus“ wurde eingerichtet von der IKEK-Gruppe „AG Ehrenamt“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Marburg. Das „Digitale Bürgerhaus“ kann von allen Vereinen und Gruppierungen kostenfrei für Zusammenkünfte aller Art genutzt werden.
Die Veranstaltungsreihe „Mitmachen im Dorf“ brachte die Menschen zusammen, um zu besprechen, wie sie gemeinsam das Dorf beleben können und was ihnen in ihrem Stadtteil fehlt. Auch dabei ist die „AG Ehrenamt“ sehr aktiv.
Weitere Stadtteilübergreifende Veranstaltungen und gemeinsame Aktionen sind geplant. Für eine nachhaltige Vernetzung der Stadtteile untereinander und zur Kernstadt, hat die IKEK-Gruppe „AG Mobilität und Versorgung“ mit engagierten Menschen aus Ginseldorf, Elnhausen, Dagoberthausen und Moischt das Pilotprojekt „Bürger-Carsharing“ ins Leben gerufen.
Hinter der kleinen Abkürzung „IKEK“ steckt eine ganze Menge drin. Sie steht für „Integriertes Kommunales Entwicklungskonzept“. Dabei geht es im Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen darum, (Bau-)Maßnahmen in den Ortskernen zu fördern, die zum Erhalt oder zur Weiterentwicklung der Struktur beitragen. Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise die Modernisierung der Bürgerhäuser, den Bau von Mehrgenerationenplätzen, die Umgestaltung von Grün- und Freiflächen oder Angebote verschiedener Workshops und Aktionen.
Zudem können alle, die ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Hofanlage in einem der 15 Marburger Außenstadtteile besitzen, Anträge auf Zuschüsse zu Sanierungen, Um- oder Neubauten stellen. Die Förderungssumme steigt seit Jahren stetig an. Bis zu 45.000 Euro können Antragsstellende pro Objekt maximal erhalten sowie für Kulturdenkmäler sogar maximal 60.000 Euro.
Förderanträge können noch bis Ende 2023 gestellt werden. Weitere Informationen gibt es bei Rose Michelsen im Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Universitätsstadt Marburg unter der Rufnummer 06421/201-1625 oder per Mail an rose.michelsen@marburg-stadt.de. Auskünfte zu den Fördermodalitäten erteilt bei Stefanie Auer beim Fachdienst Kreisentwicklung des Landkreises Marburg-Biedenkopf unter 06421/405-6131 sowie per Mail an AuerS@marburg-biedenkopf.de.
* pm: Stadt Marburg