Umweltkatastrophen fördern prosoziales Verhalten. Das haben Verhaltensökonomen der Philipps-Universität herausgefunden.
Das Gute im Menschen geht nicht unter: Klimakatastrophen erhöhen die Hilfsbereitschaft in den betroffenen Gemeinschaften – das gilt für schnell eintretende ebenso wie für langsam wirkende Umweltereignisse.
Der Ökonom Prof. Dr. Björn Vollan und sein Mitarbeiter Dr. Ivo Steimanis verwendeten für ihre Studie Verhaltensaufgaben, um das sozialförderliche Verhalten von Menschen auf den Philippinen, auf pazifischen Inseln sowie in Bangladesch und Vietnam zu messen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. Die beiden Wissenschaftler berichten im Fachblatt „Global Sustainability“ über ihre Ergebnisse.
Ein steigender Meeresspiegel und gehäufte Wetterextreme wie starke Stürme zählen zu den Auswirkungen des Klimawandels, die menschliche Gemeinschaften stark beeinträchtigen. „Es heißt, dass Katastrophen sowohl das Schlimmste als auch das Beste in den Menschen zum Vorschein bringen“, sagte Vollan. Er ist einer der beiden Autoren der aktuellen Studie. „Nachrichten über Plünderungen und das Horten von Gütern überschatten oftmals die gegenseitige Hilfe und die Bereitschaft, zu teilen“, berichtete er.
„Prosozialität“ bezeichnet ein gemeinschaftsförderliches Verhalten, mit dem man andere Menschen unterstützt. Um zu ermitteln, wie Katastrophenerlebnisse das Sozialverhalten verändern, führten Vollan und Steimanis auf den Philippinen, in Bangladesch, Vietnam und auf den Salomoninseln Experimente mit Menschen durch, die unter Wetterereignissen gelitten haben. Auf den Philippinen handelte es sich dabei um den Wirbelsturm „Haiyan“, in Bangladesch, Vietnam und auf den Salomoninseln um den langsamen Anstieg des Meeresspiegels.
Vollan und Steimanis konfrontierten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Informationen über die durchlittenen oder anstehenden Umweltkatastrophen. Auf den Philippinen fanden die beiden Wissenschaftler durch Verhaltensexperimente heraus, dass die erzwungene Erinnerung an ein Extremereignis wie den Taifun Haiyan das gemeinschaftsförderliche Verhalten deutlich verstärkt, nicht hingegen antisoziales Verhalten oder die Bevorzugung von engen Verwandten und Freunden.
„Überraschenderweise hängen diese Ergebnisse nicht davon ab, ob die Betroffenen an Unterstützungsaktionen oder an Konflikte erinnert werden“, berichtete Steimanis. Doch wie sieht es mit den Wirkungen von schleichenden Umweltgefahren aus?
In einer zweiten Studie konzentrieren sich Vollan und Steimanis auf die Frage, ob prosoziale Verhaltensweisen auch durch langsam eintretende Gefahren beeinflusst werden wie durch den steigenden Meeresspiegel, der niedrig gelegene Atolle wie die Salomonen oder Küstendeltas wie in Bangladesch und Vietnam zu überfluten droht. „Zusätzlich zu der Messung der Prosozialität baten wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das Risiko einzuschätzen, wegen des steigenden Meeresspiegels umziehen zu müssen“, erläuterte Steimanis. Dabei kam heraus, dass sich gemeinschaftsförderliches Verhalten eher bei denjenigen findet, die überzeugt sind, dass sie ihre Heimat wegen des Klimawandels aufgeben müssen, als bei anderen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sowohl schnell als auch langsam eintretende Umweltgefahren das prosoziale Verhalten der Betroffenen erhöhen“, fasste Vollan zusammen. „Dies unterstreicht die Bedeutung gut funktionierender sozialer Beziehungen für den Umgang mit Gefahren und Ungewissheit.“
Der Umwelt- und Ressourcen-Ökonom Vollan lehrt an der Philipps-Universität Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt auf nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. Die Robert-Bosch-Stiftung förderte die Forschungsarbeit finanziell.
* pm: Philipps-Universität Marburg