„Wenn ich in Marburg bin, ist mein Herz voller Hoffnung.“ Dieser Satz war am Mittwoch (23. März) zum Gedenken an deportierte Sinti aus Marburg und Umgebung zu hören.
Der Nationalsozialismus hat unzählige Menschen das Leben gekostet. Auch 78 Sinti aus Marburg und Umgebung wurden Opfer des Regimes. Am 23. März 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert.
Viele von ihnen dort ermordet. Die Stadt Marburg hat dieser Menschen auch in diesem Jahr gedacht und an ihre Namen erinnert.
Alfred Braun war ein Jahr alt, Erwin Reinhardt zwei Monate und Klara Winter gerade sieben Monate. Babys und Kleinkinder wurden zusammen mit ihren Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel aus ihrem bisherigen Leben gerissen. Am 23. März 1943 wurden 78 Sinti aus Marburg und Umgebung nach Auschwitz deportiert.
Viele von ihnen wurden dort Opfer des nationalsozialistischen Massenmords. In Marburg steht der 23. März deshalb jedes Jahr im Zeichen der Erinnerung an die ermordeten Sinti.
„Die Verbrechen des Nationalsozialismus bilden den Tiefpunkt menschlicher Zivilisation“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Gedenkveranstaltung am Mittwoch (23. März) vor dem Bauamt der Stadt Marburg. Früher war dort das Landratsamt.
Die Worte des Oberbürgermeisters wie auch die gesamte Veranstaltung werden in diesem Jahr pandemiebedingt wieder auf Video aufgezeichnet. So können alle Marburgerinnen und Marburger online mit erinnern und sich die Namen der Opfer vergegenwärtigen.
Spies erinnerte auch daran, dass die Verfolgung und Diskriminierung der Sinti mit dem Kriegsende 1945 kein Ende gefunden hat: „Diskriminierung der Sinti ist bis in die Gegenwart vorhanden. Wir setzen deswegen hier ein Zeichen: nie wieder Diskriminierung, nie wieder Faschismus, nie wieder rassistische Verfolgung von Menschen!“
Neben Spies sprach auch Maria Strauß vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma bei der Gedenkveranstaltung: „Diejenigen, die Auschwitz überlebten, hatten Wunden an Körper und Seele.“ Ssie betonte ebenfalls, dass der Antiziganismus 1945 nicht aus den Köpfen verschwunden sei.
„Wie auch? An vielen entscheidenden Stellen saßen noch die gleichen Menschen, die auch im Nationalsozialismus entschieden haben“, erklärte sie. „Erst 37 Jahre nach dem Krieg wurde der Völkermord an den Sinti anerkannt.“
Dennoch bleibe noch viel zu tun – denn Studien zeigten deutlich, dass es weiterhin Benachteiligungen von Sinti und Roma gibt. „Heute zu Gedenken bedeutet, Opfern einen Raum in unseren Gedanken zu geben. Danke für dieses Gedenken in Marburg. Wenn ich hier bin, ist mein Herz voller Hoffnung“, schloss Strauß.
Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Elke Neuwohner und der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert gaben den deportierten Sinti Namen – soweit diese nachzuverfolgen sind. Dabei verlasen sie etwa auch die Namen von Alfred Braun, Erwin Reinhardt und Klara Winter – Babys, die nach Auschwitz deportiert wurden. In Erinnerung an die 78 Leben, 78 Namen, hat OB Spies zusammen mit Romano Strauß und Anna Strauß einen Gedenkkranz am ehemaligen Gebäude des Landratsamts in der Barfüßerstraße angebracht.
Die Gedenkfeier fand auch in diesem Jahr wieder im kleinen Kreis statt mit Vertreterinnen und Vertretern der Sinti, der Geschichtswerkstatt und der Stadt. Darunter waren etwa Bürgermeisterin Nadine Bernshausen und Stadträtin Kirsten Dinnebier. Für alle Interessierten wurde die Veranstaltung aufgezeichnet und kann ab Donnerstagabend auf der Internetseite der Universitätsstadt Marburg abgerufen werden.
Erinnert hat die Stadt Marburg an alle Sinti, die aus Marburg und Umgebung deportiert wurden. In Erinnerung gerufen wurden alle Namen, die bekannt sind.
* pm: Stadt Marburg