„Let’s play mit Tommy“ geht in die zweite Runde. Junge Menschen fragen dabei Persönliches und Politisches beim „Zocken“ mit dem Oberbürgermeister.
Über die Lieblingspizza, rostige Nägel, den Klimawandel und Gewerbesteuer hat Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies beim Videospielen in lockerer Atmosphäre mit jungen Marburgerinnen und Marburgern geplaudert. Mehr als 300 Menschen schalteten sich bei „Let’s play mit Tommy“ mit University eSports Marburg zu.
Live aus dem Zocker-Studio im Stadtwald ging die Stadt Marburg wieder auf Sendung: Drei perfekt für Videospiele ausgerüstete Computerplätze, ein wenig buntes Licht, Nebel und einige Kameras – und schon startete die zweite Auflage von „Let’s play mit Tommy“. Der Oberbürgermeister ist dabei zu Gast auf dem Twitch-Kanal der Uni-Gruppe „University eSports“.
„Das ist die beste Veranstaltung im Jahr“, erklärte Spies. „Ich habe mich wieder total drauf gefreut.“
Den Moderator*innen Viktoria Ehrke und Philipp Sarter von der eSports-Gruppe erklärte er: „Es ist schön mit euch. Aber auch ein wenig anstrengend – ich bin ja nicht so der Dauergamer“, gab er zu.
Aus der ersten Auflage des digitalen Dialogformats speziell für junge Menschen im Dezember 2020 habe er aber etwas mitgenommen: „Mini Metro habe ich mir direkt heruntergeladen. ÖPNV bauen – das mache ich ja ein bisschen auch beruflich. Meine Familie fand es dann aber nicht so lustig, dass ich so viel am Handy gespielt habe“, verriet das Stadtoberhaupt mit einem Augenzwinkern.
Dass Spies tatsächlich „nicht so der Dauergamer“ ist, zeigte sich dann auch an dem Abend. Beim von einigen der Teilnehmenden heiß ersehnten Auto-Fußball „Rocket League“ tat er sich schwer mit der Steuerung trotz einiger Übungsstunden am Wochenende zuvor.
„Als Oberbürgermeister kann man nicht alles selbst und alleine machen. Man braucht fähige Leute im Team. Und man muss auch delegieren können“, erklärte er lachend nach der ersten Niederlage. Deswegen gab er seinen Platz im Spiel an Sebastian Heidrich von der Bürgerbeteiligung ab, der die Veranstaltung organisiert.
Selbst nutzte Spies dann die Zeit, um auf die vielen Fragen im Chat einzugehen, die er im Gespräch mit Ehrke und Sarter beantwortete. Da ging es direkt an die großen Inhalte: Klimaschutz, Mobilität und Nachhaltigkeit tauchten immer wieder auf.
Da wünschte sich jemand aus dem Chat die Begrünung aller städtischen Dachflächen. Spies erklärte: „Wir prüfen das. Aber viele unserer städtischen Gebäude sind schon alt und nicht alle für Gründächer geeignet. Wir wollen aber in den nächsten Jahren alle unsere Dächer, bei denen das geht, mit Photovoltaik ausstatten.“
Auch Fassadenbegrünungen seien Thema, ebenso sei gerade der erste Solarzaun errichtet worden.
Wieso sollte man die Gewerbesteuer senken?, fragte jemand anders. „Wir möchten ein attraktiver Standort sein“, antwortete Spies. „Auf der anderen Seite möchten wir den Unternehmen auch etwas zumuten: Die Bekämpfung der Klimakrise betrifft auch die Wirtschaft. Wir müssen sie ins Boot holen – und sie muss investieren, damit wir unsere Ziele für ein klimaneutrales Marburg erreichen können.“
Beim Spiel „Geotastic“ ging es dann unter anderem darum, wann OB Spies zuletzt in der ein oder anderen berüchtigten Marburger Kneipe gewesen sei. Während das Stadtoberhaupt sich im Spiel an zufällig gewählten Orten in Karten von „Street View“ zurechtzufinden suchte, wollte er das lieber nicht verraten – es sei schon zu lange her.
Dazu passte auch, dass er das Kult-Getränk „rostiger Nagel“ aus Marburgs Nachtszene nicht kannte. „Ich glaube, wenn ich mit euch unterwegs bin, lerne ich Marburg nochmal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen“, vermutete Spies.
Das Stadtoberhaupt aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen konnten dann auch die jungen Menschen, als sie aus der großen Politik in die privaten Fragen wechselten. Während die Gruppe großen Spaß bei „Gartic Phone“ – einer Art digitaler „stiller Post“, die Zeichenkünste beansprucht – hatte, ging es um die Lieblingsstadt des OB (1. Marburg, 2. Venedig), sein Lieblingsinstrument (Klavier) oder die Frage, ob Ananas auf Pizza darf (klares Nein!). Weihnachtsgeschenke kaufe er gerne, aber auf den letzten Drücker; und sein Lieblings-Dinosaurer ist das Baby aus der Serie „Die Dinos“.
„Kennt ihr die überhaupt oder seid ihr dafür zu jung?“, war da eine häufige Rückfrage von Spies, auch wenn er etwa von Queen, The Doors und Lieblingsfilmen sprach. Und welchen Ministerposten würde er nehmen, wenn er einen aussuchen dürfte?
„Ich fand das Gesundheitsministerium immer spannend“, erklärte der Arzt. „Aber ich bin lieber Oberbürgermeister. Da bin ich für alles zuständig und nicht nur für ein Thema.“
Zum Punkt „für alles zuständig“ gehören dabei eben auch die jungen Marburgerinnen und Marburger, mit denen er sehr gerne den Kontakt suche. Weitere Auflagen von „Let’s play mit Tommy“ würde er daher gerne machen, sagte Spies am Ende des Abends.
Spontane Zusagen gab es da auch von „University eSports“ und direkt die ersten Spielewünsche aus dem Chat. Bis dahin will Spies noch ein wenig üben und dann wieder ins Gespräch kommen beim Zocken.
„Let’s play mit Tommy“ ist ein Sonderformat der Vorortdialog-Reihe „Stadt im Gespräch“ für die Marburger Stadtteile. Sie ist Baustein des Handlungsprogramms „Für Dialog und Vielfalt – Gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit“, das die Stadtverordnetenversammlung (StVV) im Januar 2020 einstimmig beschlossen hat. Bei „Stadt im Gespräch“ geht es darum, den Dialog zwischen Einwohnenden und Verwaltung niedrigschwellig zu gestalten.
Doch an diesem Dialog beteiligten sich in der Vergangenheit kaum Jugendliche und junge Menschen. Weil nach Angaben des Branchenverbands Bitkom 75 Prozent aller Unter-30-Jährigen Computerspiele spielen, hat die Bürgerbeteiligung „Let’s play mit Tommy“ zielgruppengerecht entwickelt. Bei der ersten Auflage haben sich mehr als 350 Menschen zugeschaltet und teilweise mitgespielt –
und gezeigt, dass sie viele wichtige Zukunftsfragen und großes Interesse an der Politik und der Gesellschaft umtreiben.
* pm: Stadt Marburg