Rotschwänzchen: Dorfchronik über 1.200 Jahre Michelbach erschienen

Vor 1.200 Jahren wurde Michelbach erstmals schriftlich erwähnt. Das war Anlass für den heutigen Marburger Stadtteil, eine umfangreiche Chronik zu erarbeiten.
Diese Chronik ist nun als Marburger Stadtschrift im Rathaus-Verlag erschienen. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat sie gemeinsam mit dem Arbeitskreis Dorfchronik am Freitag (7. Juli) in Michelbach der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Mit einer Dorfchronik kann man sich in unserer schnell-lebigen Zeit, in der sich Dörfer und ihre Strukturen sehr schnell verändern, darauf besinnen, wo wir herkommen“, sagte Spies vor der Kulturscheune Michelbach. „Eine solche Chronik hilft, die Errungenschaften der Geschichte gebührend zu würdigen und dadurch ein besseres Bewusstsein für die Gegenwart zu entwickeln.“
Dazu trage die Aktivität des Michelbacher Arbeitskreises Dorfchronik bei. Der Arbeitskreis hat das Buch aus Anlass des Dorfjubiläums erstellt. Unterstützt wurden die Michelbacher dabei von Wissenschaftlern der Philipps-Universität und des Hessischen Amts für geschichtliche Landeskunde sowie vom Hessischen Staatsarchiv und Marburger Stadtarchiv.
„Herausgekommen ist ein vielschichtiges Buch, das Interessantes für Alteingesessene, Zugezogene und auch für Nicht-Michelbacher enthält“, stellte Spies fest. Zugleich ist die Chronik ein Beitrag für die Wissenschaft.
Schaut man auf die schriftlichen Überlieferungen, ist Michelbach viele Jahrhunderte älter als die Stadt Marburg selbst. Die erste Erwähnung des Orts unter dem Namen „Michelbergere marcha“ stammt aus einem Codex des Klosters Fulda.
Doch die Geschichte des Dorfs und seiner Umgebung ist noch älter, wie steinzeitliche Funde nahelegen. Sie werden genauso beschrieben wie geologische Besonderheiten. Auch weitere alte Urkunden finden Beachtung.
All das hat der Arbeitskreis Dorfchronik zusammengetragen. Die ehrenamtlichen Autoren unternehmen einen „Ritt durch die Geschichte“.
Sie erzählen von den Folgen der Pest, von der Rolle von Michelbacher Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg oder von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs. Besonders anschaulich wird das Leben im alten Dorf geschildert mit seinen Fachwerkhäusern, Straßen und Höfen.
Ausführlich behandelt wird auch die Kirche mit ihren Besonderheiten. Am Beispiel von Schmidts Hob macht das Buch bäuerliches Leben über 200 Jahre nachvollziehbar. Nebenbei war dieser Hof sogar Kulisse für einen Heimatfilm der 60er Jahre.
Die Stadtschrift gibt zudem Einblicke in die Alltagskultur, zum Umgang mit Branntwein, zu Jagdbräuchen und zur Tracht. Vor allem erzählt die Chronik aber von den Menschen.
Dabei ist zweitrangig, ob es die sind, die aus dem Dorf in den Krieg ziehen mussten, oder die, die sich heute in den Vereinen engagieren. Ob es um die alten Hausnamen geht, um das Schicksal von Soldatenkindern oder die historische Weinstraße – das Buch lädt zum Blättern und Stöbern ein.
„Mit dem Band der Marburger Stadtschriften ist der Anfang gemacht, der unser Dorf – unseren Stadtteil – besser zu verstehen hilft“, sagte Ortsvorsteher Peter Aab bei der offiziellen Vorstellung. Er ist überzeugt: „Die Dorfchronik gehört in jeden Michelbacher Haushalt.“
Aab gehört zusammen mit Jürgen Damm, Prof. Dr. Georg Fülberth, Stephan Muth, Nortrud Schrammel-Schäl, Julia Wackerbarth, Hartmut Wild und zeitweise auch Prof. Dr. Siegfried Becker zum Redaktionsteam des Arbeitskreises. Die Schriftleitung für den neuen Band der Stadtschriften-Reihe hatte der frühere Leiter des Marburger Stadtarchivs Dr. Ulrich Hussong, der selbst auch als Autor mitwirkte. Insgesamt schrieben 17 Autorinnen und Autoren an dem Buch.
Die erste Idee für die Chronik und die Gründung des Arbeitskreises reicht bis in die 90er Jahre zurück. Mit dem Ziel des 1200-jährigen Dorfjubiläums vor Augen arbeitete das Redaktionsteam seit etwa drei bis vier Jahren konzentriert am Projekt.
„Eine ganz tolle Sache“ ist für Julia Wackerbarth diese Zeit in der Redaktion. Auch das Dorfleben in Michelbach sei einfach wunderbar, berichtete die Neubürgerin.
„Das letzte Jahr bis zur Fertigstellung war dann aber schon auch ein bisschen Stress“, bekannte Damm. Unschätzbar sei die Hilfe der Professoren Fülberth und Becker gewesen, erklärten Aab, Damm und Wackerbarth übereinstimmend. Ebenso wertvoll und unabdingbar war die Unterstützung von Hussong und von Grafiker Tom Engel bei der praktischen Ausgestaltung des 480 Seiten umfassenden Werks.
Als bisher einzige Ausgabe in der Reihe der Marburger Stadtschriften trägt die Michelbacher Dorfchronik einen Vogel im Titel. Dabei handelt es sich um ein Rotschwänzchen. „Das ist der Spitzname des Ortes – ursprünglich spöttisch, mittlerweile aber auch der Eigenname der Michelbacher – ein Stück Identität“, erklärte Ortsvorsteher Aab.
Der Band 107 der Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur ist ab sofort erhältlich. Das 480 Seiten starke Buch mit Farbabbildungen kostet 18 Euro und erscheint im Rathaus-Verlag unter der ISBN 978-3-942487-09-2.

* pm: Stadt Marburg

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