Lärchenextrakt und Bewegung: Zusätzlich zur Impfung auch die Immunabwehr stärken

Eine Studie der Philipps-Universität und der Medizinischen Hochschule Hannover untersucht den Einfluss von Prostaglandin E2 auf das Immunsystem. Demnach könne man mit Lärchenextrakt und mehr Bewegung die Virusabwehr stärken.
Nicht alle Infektionen mit SARS-CoV-2 verlaufen gleich. Bestimmte Faktoren erhöhen das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. So spielen Alter, Geschlecht und Lebensstil offenbar eine wichtige Rolle.
Weshalb gerade ältere Männer mit Bewegungsmangel besonders gefährdet sind, hat ein internationales Forschungsteam aus der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Philipps-Universität in Kooperation mit dem Twincore Zentrum für Experimentelle und Klinische Forschung untersucht. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung der MHH und des Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung.
Im Fokus der Arbeit steht das Gewebehormon „Prostaglandin E2“ (PGE2). Bei Virusinfektionen unterdrückt der Botenstoff das angeborene und erlernte Immunsystem und fördert die Ausbreitung der Viren. Es gibt aber auch Wege, den PGE2-Spiegel im Blut zu senken und die Immunabwehr zu verbessern.
Das gelingt mit körperlicher Bewegung sowie einer Behandlung mit dem natürlich vorkommenden PGE2-Hemmer „Taxifolin“. gewonnen wird er aus dem Extrakt der sibirischen Lärche. Die Studie ist in der multidisziplinären Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science (PLOS ONE) erschienen.
Das menschliche Immunsystem kann Viruserkrankungen eigentlich erfolgreich abwehren. Dabei sind vor allem zwei Zellarten aus der Gruppe der weißen Blutkörperchen wichtig:
T- und B-Zellen. T-Zellen können virusbefallene Zellen direkt zerstören, und sie ermöglichen den B-Zellen, Virus-neutralisierende Antikörper zu bilden. PGE2 sorgt allerdings dafür, dass weniger dieser beiden Zelltypen für die Abwehr der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind.
„Wir haben aus Belgien, Italien und von der Hannover Unified Biobank der MHH Lungengewebe und Blutproben von schwer an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten erhalten und deutlich erhöhte PGE2-Spiegel festgestellt“, erklärten Dr. Melanie Ricke-Hoch von der MHH und Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner. Die Professorin für molekulare Kardiologie an der MHH ist zugleich Dekanin am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität.
Das Gewebehormon drosselt die Produktion des Proteins PAX5, das wiederum die Bildung und die Reifung der B-Zellen regelt. Dadurch wird das Immunsystem geschwächt und die Viren können sich ungehindert ausbreiten.
Bei Untersuchungen in Lungengewebe-Proben von an COVID-19 Verstorbenen seien tatsächlich deutlich weniger B-Zellen zu finden gewesen als in gesunden Lungen, berichten die Wissenschaftlerinnen. Zudem konnte das Forschungsteam zeigen, dass SARS-CoV-2 für diese erhöhte PGE2-Produktion im Lungenepithel mitverantwortlich ist. Da PGE2 auch die Anzahl der B-Zellen reduziert, scheint das Virus somit selbst dafür zu sorgen, dass die antivirale Immunantwort schwächer ausfällt.
„Dadurch öffnet sich die Tür für Sekundärinfektionen beispielsweise durch Pilze, wie sie bereits gehäuft in Indien aufgetreten sind“, erklärte Hilfiker-Kleiner. Auch erneute Infektionen mit SARS-CoV-2 sind dann möglich. Diese Reinfektion könnte nach Ansicht der Wissenschaftlerin der Grund sein, weshalb bei schweren COVID-19-Verläufen die Immunreaktion plötzlich überschießt und es infolgedessen zu Organschäden kommt.
Erhöhte PGE2-Spiegel treten jedoch auch bei Nicht-infizierten auf. Das gilt vor allem für ältere Menschen mit inaktivem Lebensstil.
Doch es gibt Mittel, den PGE2-Spiegel zu senken und so die Immunantwort zu verbessern. Eines davon heißt „Taxifolin“. Die Substanz wird aus dem Holz der Lärche gewonnen und ist als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich.
In Zellkultur konnte das Forschungsteam nachweisen, dass der Pflanzenextrakt als PGE2-Hemmer wirkt. „Ob das als vorbeugende Maßnahme für Risikopatienten infrage kommt, müssen aber erst weitere Studien klären“, sagte Ricke-Hoch. Eine andere Option ist mehr Bewegung.
„Wir haben Blutproben gesunder Senioren untersucht, die ein zwölfmonatiges Bewegungstraining absolviert haben“, berichtete die Forscherin. Der Nachweis war eindeutig. In den Blutproben, die am Ende des Programms entnommen wurden, befand sich deutlich weniger PGE2 als in Proben aus der Zeit vor dem Training.
Leider haben die beiden Forscherinnen nicht klar gestellt, dass die von ihnen untersuchten Möglichkeiten keinen Ersatz für eine Impfung darstellen können. Dieser Hinweis wäre nötig, weil einige Impfskeptiker auf Bewegung als Alternative zur Impfung bauen. Dadurch setzen sie sich einer vermeidbbaren Gefahr aus, die die beiden Wissenschaftlerinnen hätten vermeiden können und müssen.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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